
Jeder Mensch, der eine medizinische Versorgung benötigt, müsse die auch in dem Moment bekommen, in dem er sie braucht. Menschen, die Sorge um ihre Gesundheit hätten und unsicher seien, ob sie wirklich krank sind, müssten den richtigen Weg und Ansprechpartner im Gesundheitssystem finden.
„Unser Gesundheitswesen muss so organisiert sein, dass jeder, der medizinische Hilfe braucht, sich darin zurechtfinden kann.“ Auch digitale Medien spielten hier für Gesundheitsinformationen eine zunehmend bedeutsame Rolle. Um diese Informationen verstehen, beurteilen und anwenden zu können, werde es stärkerer digitaler Gesundheitskompetenz bedürfen.
Es fehle an effizienten Steuerungsmodellen, um die Patientinnen und Patienten „passgenau dorthin zu bringen, wo sie die beste Versorgung bekommen“, betonte Dr. Gehle weiter. Die Ärzteschaft benötige wieder mehr Zeit für die kranken Menschen. „Zeit, die wir Ärztinnen und Ärzte im Moment nicht haben.“
Der westfälisch-lippische Kammerpräsident fordert deshalb eine deutliche Entlastung von administrativen Aufgaben bei der ärztlichen Arbeit. Klinikärztinnen und -ärzte verbrächten drei Stunden am Tag mit Dokumentation und anderen Verwaltungsaufgaben. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte seien rund 61 Tage im Jahr mit Bürokratie beschäftigt, bilanzierte Gehle. „Bürokratische Prozesse müssen vereinfacht und reduziert werden, damit wieder mehr Zeit für die medizinische Versorgung bleibt.“
Auch sollte die professionsübergreifende Zusammenarbeit und Delegation in der Patientenversorgung neu geordnet werden, mahnte der ÄKWL-Präsident. Durch Delegation könne die ärztliche Ressource optimiert werden. Allerdings: Wir brauchen eine klare Definition der Verantwortungsbereiche und der dafür notwendigen Qualifikationen.“
Die Menschen, die medizinische Versorgung dringend bräuchten, fänden häufig nicht zum Arzt, den sie brauchen. Der demographische Wandel führe zu einem eklatanten Fachkräftemangel im Gesundheitswesen bei einem gleichzeitig steigendem Versorgungsbedarf. Die hohe Inanspruchnahme medizinischer Leistungen führe zu oft langen Wartezeiten.
Die Unzufriedenheit der Patientinnen und Patienten wachse dadurch. Lösungsansätze finden sich laut Dr. med. Hans-Albert Gehle in neuen Finanzierungssystemen, die die sprechende Medizin mehr unterstützten, zudem in der Abschaffung der politisch gewollten Kontroll-Bürokratie sowie einem weiteren Ausbau der Delegation medizinischer Leistungen.