• Ein anderer Deutscher Ärztetag

    Kommentar von Dr. med. Hans-Albert Gehle
    29.April 2021
    DÄT – einmal im Jahr richtet sich der Blick der Öffentlichkeit auf uns – die deutsche Ärzteschaft. Kurzes Interesse am Ringen der Kolleginnen und Kollegen um die Belange der Ärzteschaft und unserer Patienten, um die Gesundheitsversorgung heute und in Zukunft. Dabei liegen wichtige Themen an: Auswirkungen von Corona, Gesundheitspolitik und Bundestagswahl, Diskussion um ärztlich assistierten Suizid, Krankenhausversorgung der Zukunft, Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheitsversorgung, Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe, e-Logbuch und Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie und, und, und. Anders? Das erste Mal Digital! Und es ist das erste Mal DÄT ohne Heidrun Gitter! Immer noch unbegreiflich für mich. Solange ich denken kann, war Heidrun da. Sie fehlt! Als Vizepräsidentin der BÄK, als Präsidentin in Bremen – aber besonders als Streiterin für die Interessen der Krankenhausärzte, ja der Ärztinnen! Durch und durch Orange! Im wahrsten Sinne Kämpferin über Jahrzehnte für unser aller Belange – schon als Studentin. Immer streitbar, aber stets mit dem Blick auf Lösungen im Sinne guter Versorgung aller Menschen gerichtet.

    Wir haben viele Themen. Jetzt kritisieren bereits Delegierte ein zweitägiger Ärztetag sei zu kurz. Digital sei eine echte Diskussion unmöglich. Die Frage aber ist, worauf kommt es wirklich an? Es ist nicht ein einziger Tag oder eine Woche oder selbst ein Jahr, das den Unterschied macht. Nein, wie würde Heidrun sagen: „Ärztin oder Arzt sein heißt, ein Leben lang sich einzusetzen. Tag für Tag. Trotz aller Hindernisse auf dem Weg – nicht nachlassen!“

    Letztes Jahr hat Corona den Ärztetag in Mainz verhindert. Dieses Jahr werden wir erste Lehren aus Corona ziehen, noch deutlicher sagen: Gesundheit ist Daseinsfürsorge nicht Ökonomie! Deshalb werden wir als Marburger Bund auch auf diesem Ärztetag wieder klare Forderungen stellen: Öffentlicher Gesundheitsdienst, Krankenhausfinanzierung, Notfallversorgung, Primat der guten Versorgung vor der Ökonomie, Zeit für Berufsausübung und Weiterbildung, Zeit für unsere Patienten.

    Wir werden uns streiten müssen. Warum? Ein gutes Beispiel ist die auf dem DÄT zu führende Diskussion um das Urteil des BVerfG zu § 217. Die Frage des Umgangs mit dem Suizidwillen eines Menschen. Wohlgemerkt hier geht es nicht nur um die Begleitung Sterbender oder Schwerstkranker. Das Urteil geht viel weiter. Jeder auch Gesunde hat das Recht auf die Hilfe beim „Freitod“. Was ist da ärztliche Aufgabe? Ist es nur die Beratung und Feststellung des freien Willens. Oder auch die Hilfe beim Suizid? Lässt sich das trennen? (Hierzu wird der Marburger Bund am 1. Mai digital einen Thementag veranstalten.)

    Die Politik ist auf der Suche nach Antworten. Wer außer einer Ärztin, eines Arztes könne den Suizidhelfer sein, hört man bereits. Wir werden nicht nur die Berufsordnung ändern, sondern uns auch eine klare Meinung zu den nun kommenden Gesetzesvorschlägen machen müssen.

    Was aber in keinem der Gesetzesüberlegungen steckt – wir Ärztinnen und Ärzten brauchen endlich genügend Zeit für Gespräche mit unseren Patienten, egal ob sie lebensmüde oder schwerstkrank sind. Wir brauchen Sie täglich!

    Das hat Heidrun Gitter schon in ihrem Studium erkannt. Als Ärztin als Arzt zufrieden zu arbeiten, heißt, sich täglich für unseren Beruf einzusetzen. Meine Hoffnung ist, dass sich auch immer mehr Kolleginnen für ihren einstigen Traumberuf einsetzen. Wie Heidrun Gitter, trotz aller Umstände und Hindernisse sogar als alleinerziehende Mutter. Einfach und selbstverständlich, nicht heldenhaft, sondern täglich. Warum? Ganz einfach, weil es niemand anders für uns tut