• Ein Jahr voller Herausforderungen

    Aktueller Kommentar des ersten Vorsitzenden des MB-Landesverbandes NRW-RLP Dr. med. Hans-Albert Gehle
    19.Januar 2017
    Zu Beginn des neuen Jahres möchte ich Ihnen und Ihren Familienangehörigen Gesundheit, Frieden und Erfolg wünschen. Das Jahr 2017 wird uns Ärztinnen und Ärzte vor besondere Herausforderungen stellen. Schon in der kommenden Woche geht es vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe um unsere gewerkschaftliche Existenz. Die höchsten Richter unseres Landes werden in zweitägiger mündlicher Verhandlung über unsere und vier weitere Klagen gegen das am 3. Juli 2015 verabschiedete Gesetz zur Tarifeinheit verhandeln.
    Wir begrüßen außerordentlich, dass das Bundesverfassungsgericht unsere gut begründeten verfassungsrechtlichen Einwände gegen das Tarifeinheitsgesetz in öffentlicher Verhandlung prüfen wird. Das Verfahren hat eine hohe gesellschaftspolitische Bedeutung, da die Väter unseres Grundgesetzes nach den leidvollen Erfahrungen einer Diktatur jedem Beruf ein grundgesetzlich geschütztes Recht zur gewerkschaftlichen Betätigung gesichert hat. Dieses Grundrecht ist durch das Tarifeinheitsgesetz in Gefahr. Wir teilen die Überzeugung renommierter Verfassungsrechtler, dass das Tarifeinheitsgesetz in mehrfacher Hinsicht in die im Grundgesetz im Artikel 9 verankerte Koalitionsfreiheit eingreift.

    Durch den neuen Zwang, dass in einem Betrieb im Konfliktfall nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern gelten soll, werden Berufsgewerkschaften wie der Marburger Bund als Minderheit von der eigenständigen Gestaltung ärztlicher Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge für Ärzte ausgesperrt. Artikel 9 Absatz 3 GG besagt jedoch ausdrücklich, dass dieses Recht für jedermann und alle Berufe gilt. Wir werden unsere guten Argumente vortragen und sind gespannt. Wir werden aber auf jeden Fall Wege finden, um unsere Arbeitsbedingungen weiter selbst zu gestalten.

    2017 stellt uns vor viele weitere Herausforderungen: Die Bundesländer erfüllen seit vielen Jahren ihre Verpflichtungen zur Investitionsförderung der Krankenhäuser nicht. Kliniken sind chronisch unterfinanziert. Defizite gefährden Klinikexistenzen. Die stationäre medizinische Versorgung ist in vielen Regionen in Gefahr. Abwrackprämien für defizitäre Kliniken schaffen unverantwortliche Lücken im Versorgungsnetz.

    Wir Ärztinnen und Ärzte müssen als sachkundige Anwälte unserer Patienten agieren. Angesichts der anstehenden Wahlen für den nordrhein-westfälischen Landtag und den Bundestag werden wir die Politiker an ihre gesundheitspolitische Verantwortung erinnern und daran messen. Wir brauchen darüber hinaus eine Gesundheitspolitik, die angesichts der demografischen Herausforderungen auch zukünftig eine flächendeckende und qualitätsvolle Versorgung garantiert. Wir brauchen mehr Zeit für unsere Patienten, eine Stärkung unserer ärztlichen Freiberuflichkeit und weniger ökonomischen Druck im ärztlichen Alltag. Dafür müssen wir gemeinsam eintreten.

    2017 geht es auch um unsere ureigenen ärztlichen Interessen. Auf dem nächsten Ärztetag in Freiburg werden wir die Novellierung der Weiterbildungsordnung erörtern. Bei der Weiterbildung zum Facharzt stehen zentrale Weichenstellungen an. Wir werden uns ebenfalls weiter für unseren Nachwuchs engagieren, denn mit dem Masterplan 2020 drohen neue Zwänge, die Quartalisierung des Praktischen Jahres und eine Landarzt­quote.

    Wir wissen, wir brauchen mehr Studienplätze, neue Zugangsbedingungen, nicht noch mehr Pflichten. Pflichtteile im PJ, ob als Tertiale, Quartale oder Prüfungen, führen nicht zu einer Motivation für spätere Tätigkeitsbereiche. Wir wollen eine qualitativ hochstehende Ausbildung des medizinischen Nachwuchses, denn die ist der Grundstein für eine hochwertige Versorgung unserer Patienten. Sie sehen, schon bei dieser kleinen Themenauswahl, wir stehen vor einem spannenden Jahr, in dem wir viel erreichen können, wenn wir uns gemeinsam engagieren.