• Erfolgreiche Überzeugung

    Gemeinsamer Kommentar von Dr. med. Hans-Albert Gehle und Dr. med. Sven Dreyer zur Notfallreform
    29.Januar 2024
    Reform folgt auf Reform. Minister Karl Lauterbach hat vorige Woche sein neuestes Reformwerk vorgelegt, die Eckpunkte einer Notfallreform. Darauf haben wir seit vielen Jahren gedrängt, denn die Ärztinnen und Ärzte in den Notfallambulanzen sind völlig überlastet. Vielerorts wurden die Kapazitätsgrenzen erreicht, oftmals durch Patienten, die den Weg zu niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen nicht gingen oder dort vor verschlossenen Türen standen. Wir haben das Thema seit Jahren intensiv mit den Kassenärztlichen Vereinigungen diskutiert. Wir haben unzählige konstruktive Gespräche geführt und schon 2017 eine Hauptversammlung ausschließlich diesem Reformthema gewidmet. Wir forderten seit jeher ein mit Augenmaß gestaltetes, integriertes Zukunftskonzept für die ambulante und stationäre Notfallversorgung der Bevölkerung.

    Im vergangenen Jahrzehnt haben wir beharrlich unsere ärztliche Expertise in die politische Debatte eingebracht. Offenbar mit Erfolg, denn die aktuellen Eckpunkte der Berliner Notfallreform scheinen endlich eine intelligente Steuerung der Patientenströme vorzusehen. Die über viele Jahre verhärteten Standpunkte haben sich angenähert. Das ist durchaus ein Erfolg für die intensive Überzeugungsarbeit vieler Vertreterinnen und Vertreter des Marburger Bundes.

    Erinnern wir uns, Reformdiskussion fing mit einem Kahlschlagversuch an. 2018 drohte die Etablierung eines vierstufigen Systems mit Mindestvorgaben durch den GbA. Durch die angedachte reduzierte Bezahlung erbrachter Leistungen hätten wohl unzählige Notfallambulanzen schließen müssen. Versorgungslücken drohten. Diese Pläne für die Teilhabe-Kriterien von Kliniken an der Notfallversorgung haben wir erfolgreich gestoppt.

    Seit vielen Jahren beobachten wir, dass die Notfallversorgung überlastet ist. Über die Dringlichkeit einer intelligenten Steuerung herrschte unter allen Beteiligten Einvernehmen. Die daraus folgenden Notwendigkeiten, die nötigen weiteren Schritte fielen manchem Akteur aber schwer. Strafgebühren für unechte Notfälle? Wir haben von Anfang an Geld als ungeeignetes Steuerungsinstrument der Patientenströme charakterisiert. Sie hätte den Patienten die Entscheidungshoheit überlassen.

    Zentraler Baustein einer sinnvollen Patientensteuerung ist die fachliche validierte Ersteinschätzung und die daraus folgende Zuweisung zur geeigneten Versorgungsebene. Wir hoffen, dass diese Patientensteuerung mit der Notfallreform des Ministers Lauterbach gelingen wird. Im Grunde zwingt schon der vorherrschende Fachkräftemangel alle Akteure dazu.

    Primär sollte unserer Einschätzung nach der Erstkontakt telefonisch erfolgen. In Kliniken soll die Anlaufstelle ein gemeinsamer Tresen sein, gut erreichbar, personell und materiell angemessen ausgestattet. Mitarbeiter beider Sektoren müssen Hand-in-Hand arbeiten können, hier ist vor allem die ausreichende Digitalisierung mit einer gemeinsamen Digitalstruktur und kompatiblen Anwendungen unverzichtbar.

    Nichts zuletzt bedarf es einer angemessenen Vorhaltefinanzierung. Was wir brauchen sind arztgesteuerte Patientenströme in funktionierenden Strukturen. Diese wird es aber nur geben, wenn ausreichend Personal und die nötige Finanzierung zur Verfügung steht. Die Ansätze der Notfallreform lassen uns zunächst hoffen, aber die genaue Ausgestaltung ist noch unklar, hier müssen wir abwarten. Wichtig ist, dass alle Akteure in den weiteren Planungsprozess einbezogen werden.