• Erschreckende Ergebnisse unserer PJ-Umfrage

    Aktueller Kommentar des ersten Landesvorsitzenden Dr. med. Hans-Albert Gehle
    30.Mai 2018
    Gerade in einer Ära des Ärztemangels ist meiner Ansicht nach die Frage, was unserer Gesellschaft der ärztliche Nachwuchs wert ist, von sehr hoher Bedeutung. Als Marburger Bund liegt uns die Unterstützung und Förderung sowohl der Studenten als auch der jungen Ärzte besonders am Herzen, denn es waren junge engagierte Ärztinnen und Ärzte, die den Marburger Bund vor sieben Jahrzehnten gegründet haben. Ich meine, wenn junge Medizinstudenten heute nach ihrem 2. Staatsexamen den Klinikalltag erleben, sollten sie in ihrem PJ akzeptable Arbeitsverhältnisse vorfinden, eine strukturierte, ausgezeichnete Lehre und eine faire Vergütung erhalten. Die Realität ist leider längst nicht so.

    Wir haben an neun Universitäten in NRW und RLP insgesamt 3.331 Unterschriften für eine angemessene und einheitliche Aufwandsentschädigung im PJ gesammelt. Parallel haben wir eine landesweite Umfrage zur Situation der PJler durchgeführt. Die nachfolgend skizzierten Ergebnisse sind erschreckend.

    Wovon muss man leben? Fangen wir mit der Vergütung an: 87 Prozent der gut 300 befragten PJler erhalten weniger als 500 Euro Aufwandsentschädigung im Monat, 74 Prozent weniger als 400 Euro, 22 Prozent weniger als 300 Euro, zehn Prozent weniger als 200 Euro und drei Prozent gar kein Geld.

    Da jeder vierte PJler zudem seine Verpflegungskosten verrechnet bekommt, schmälert sich das monatliche zur Verfügung stehende Salär der PJler oftmals. Kostenfreie Unterkünfte und Fahrtkostenzuschüsse der Kliniken erhalten lediglich 13 Prozent der befragten PJler in NRW und RLP.

    Angesichts der miserablen Vergütung verwundert es nicht, dass über 55 Prozent der PJler angeben, sie müssten ihren Lebensunterhalt durch eine nichtärztliche Nebentätigkeit bestreiten. Dadurch erleiden diese PJler eine unverantwortliche Benachteiligung ihrer ärztlichen Ausbildungschancen.

    25 Prozent können durch Nacht- oder Wochenenddienste in der Pflege in der Klinik dazuverdienen. Aber, sieht so eine angemessene Wertschätzung unseres händeringend in der Krankenversorgung benötigten Nachwuchses aus? Wohl kaum!
    Unser Fazit: PJler werden während des Praktischen Jahres allzu oft als billige Hilfskräfte ausgebeutet. Während etwa Referendare anderer akademischer Berufe wie Lehramtsanwärter oder Juristen monatlich mindestens 1.100 bis 1.200 Euro erhalten, ist die Vergütung im Praktischen Jahr vielerorts völlig unzureichend. Deshalb haben wir auf dem 121. Deutschen Ärztetag in Erfurt einen Beschluss eingereicht, der eine Vergütung der PJler mit 1.500 Euro im Monat vorsieht.

    Über 90 Prozent unserer befragten PJler beklagen, dass sie acht Stunden und länger in der Klinik tätig sind, sie aber von der PJ-Vergütung alleine nicht leben können. O-Ton: „Wer keine gutverdienenden Eltern oder ein Stipendium hat, muss noch nebenher arbeiten.“ Das darf nicht sein. Der Ruf nach fairer Bezahlung muss endlich erhört werden. Dass sich trotz dieser erschütternden Umfrage-Ergebnisse „nur“ 42 Prozent der befragten PJler in unserem Landesverband in ihrer Klinik nicht ausreichend wertgeschätzt fühlen, verwundert.

    Dafür sind die Wünsche der PJler deutlich ausgefallen. Alle Befragten haben ein verpflichtendes hausärztliches Quartal strikt abgelehnt. PJler fordern mehr Verantwortung und eine bessere digitale Ausstattung in den Kliniken. Nahezu alle betonen, dass sie in personell unterbesetzten Kliniken primär zur Patientenaufnahme, zum Blutabnehmen oder zum Hakenhalten im OP eingesetzt werden. O-Ton: „Wir sind einfach nur billige Arbeitskräfte!“

    Immer wieder wird beklagt, dass ein festes Curriculum mit klaren Ausbildungszielen und eine Klarstellung, welche praktische Fähigkeiten unter Aufsicht durchgeführt werden dürfen, fehlt. Gefordert wird eine bessere Betreuung durch erfahrene Ärzte und die wirkliche Einbindung in den Stationsalltag. O-Ton: „Da ein Mangel an Ärzten besteht, hat kaum ein Arzt Zeit für die Lehre.“

    Beklagt wird, dass man „nur so passiv mitlaufen könne“, das vereinbarte Seminare ständig ausfallen, da man als PJ´ler stattdessen im OP Haken halten oder bei Patienten Blutabnehmen müsse. Es mangele an strukturierten Schulungen und besserer Lehre. Für PJler sollte es speziell geschultes und freigestelltes Personal geben. O-Ton: „Wir wünschen uns eine bessere praktische Ausbildung und mehr Zeit der Ärzte.“

    Um es nochmals klar zu sagen: In einer Zeit des Ärztemangels wird ärztlicher Nachwuchs dringend benötigt. Sie sollten die gebotene faire finanzielle Wertschätzung und eine patientennahe strukturierte Ausbildung erhalten. Derzeit ist die Realität für PJler aber meist noch weit davon entfernt. Wir werden die Politik und die Krankenhäuser in die Pflicht nehmen. Um die Forderungen abzustimmen, veranstalten wir am 21. Juni in Köln das Symposium „Faire Vergütung im Praktischen Jahr“. Melden Sie sich an, diskutieren sie mit.