• Erste Lockerungen sollten uns nicht zu locker machen!

    AEKNO-Präsident Rudolf Henke warnt vor Leichtfertigkeit / Weiterhin müssen wir das Risikopotenzial beachten
    13.März 2021
    Düsseldorf (mhe). Der nordrheinische Kammerpräsident, Rudolf Henke, hat heute zu Beginn der 5. Kammerversammlung davor gewarnt, angesichts der ersten Lockerungen zu leichtfertig zu werden. „Wir werden weiterhin klug handeln müssen, um auch in den nächsten Monaten möglichst viele Erkrankungen und Todesfälle zu vermeiden, eine Überlastung unseres Gesundheitswesens zu verhindern und eine sichere Perspektive für eine schrittweise Rückkehr zur Normalität zu entwickeln.“ Rudolf Henke erinnerte, dass sich in der Pandemie auch bereits über 74.000 Angehörige des deutschen Gesundheitswesens infiziert haben. Im Rahmen der Pandemie starben alleine hierzulande über 73.000 Menschen, weltweit über 2,6 Millionen Menschen. „Unser Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier weist zu Recht immer wieder darauf hin, dass hinter diesen Zahlen Menschenleben stehen und Angehörige, die um geliebte Menschen trauern.“

    Henke widmete sich eingangs dem aktuellen Infektionsgeschehen: „In Deutschland verzeichnen wir seit Mitte Februar wieder eine stetige zunächst noch gering und jetzt deutlich beschleunigte Ausbreitung des Infektionsgeschehens. Lag die 7-Tage-Inzidenz in NRW am 13. Februar noch bei 56,1 pro 100.000 Einwohner, so sind wir heute bei einer Inzidenz von 73,2 (Stand 13.3.) angekommen. Der Anteil der britischen Virusmutation ist mittlerweile für 55 Prozent der Infektionen verantwortlich.“

    „Wir sehen ein wenig Licht am Ende des Tunnels. Zum einen sehen wir, dass die priorisierte Impfreihenfolge der letzten Monate wirkt. Es gibt deutlich weniger schwere Erkrankungen und Todesfälle bei über 80-Jährigen. Unter den rund 170.000 Bewohnern nordrhein-westfälischer Alten- und Pflegeheime gab es vor dem Start der Impfungen zu Weihnachten 5.265 nachgewiesen Infizierte, gestern wurde diese Zahl mit 281 gemeldet, das ist ein großer Erfolg der priorisierten Impfungen in diesen Einrichtungen – ein Rückgang um fast 95 %!“

    „Licht sehen wir auch, weil die Europäische Union am Donnerstag den Impfstoff des US-Herstellers Johnson & Johnson zugelassen hat, der voraussichtlich ab April an die EU geliefert werden kann. Damit haben wir einen vierten Impfstoff, der nicht nur gegen schwere Verläufe, sondern auch gegen die Infektionen an sich wirkt. Und sehr wichtig, bei diesem Impfstoff, der sich auch noch leichter lagern lässt, ist auch eine hohe Schutzwirkung gegenüber der südafrikanischen Variante festgestellt worden.“

    „Licht sehen wir auch, weil wir mit Impfungen, Schnelltests, Einsatz von Apps und nicht zuletzt den bekannten Hygienemaßnahmen ein Bündel an Maßnahmen in der Hand haben, mit denen wir einen möglichen exponentiellen Anstieg in der dritten Welle abwenden können. Jetzt heißt es, gemeinsam so lange vernünftig mit den noch nötigen Einschränkungen umzugehen, bis wir mit der Impfwelle vor die Infektionswelle kommen – und das im Wettlauf mit der besonders ansteckenden britischen Mutante B.1.1.7. und womöglich noch weiteren Varianten.“

    „Dennoch sind wir in einer Phase, in der Öffnungen von Kitas und Schulen, Sporteinrichtungen und Teilbereichen des Einzelhandels vorangetrieben und weitere gefordert werden und der Osterurlaub gedanklich schon fest geplant wird. Mallorca macht auf. All diese Öffnungen bergen natürlich ein Risikopotenzial, dessen wir uns bewusst sein müssen.“

    Und deshalb heißt es jetzt vorrangig, beim Impfen Tempo zu machen. Die Ärzteschaft in Nordrhein ist bereit, schnell in das Impfgeschehen einzugreifen. Aktuell werden bundesweit rund 250.000 Impfungen täglich in den Impfzentren durchgeführt. Und auch wenn da noch einmal aufgestockt wird, ohne die Praxen und die Betriebsärzte lässt sich das Ziel von einer Million Impfungen täglich nicht erreichen. Das wird ja dann aller Voraussicht nach im 2. Quartal möglich, für das insgesamt 76,9 Millionen Impfdosen avisiert sind. Und deshalb können wir nur dringend appellieren, die vorhandenen Ressourcen der 75.000 niedergelassenen Praxen und das Potenzial von Impfungen in Betrieben zu nutzen.“

    „Natürlich benötigen wir dazu gute Vorbereitungen, feste Liefertermine, schnelle Meldewege, genügend Dosen und eine adäquate Vergütung. Zu einer guten Vorbereitung der Impfungen in den Praxen gehört auch, dass alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte und ihre Mitarbeiterinnen sowie die Betriebsmediziner geimpft sind.  Das hat jetzt in NRW endlich flächendeckend begonnen und muss schnell zum Abschluss kommen.“

    „Zu einer guten Vorbereitung gehören ganz essenziell natürlich auch verlässliche Lieferterminzusagen, denn wir wollen nicht, dass eventuell der Ärger um Termine, wie wir ihn aus den Impfzentren kennen, zur zusätzlichen Belastung in unseren Praxen wird.“

    „Genauso wenig können wir, wenn wir schnell impfen wollen, Priorisierungsdiskussionen in den Praxen gebrauchen. Verstehen Sie mich nicht falsch – den Grundsatz der Priorisierung halte ich im Hinblick auf den Schutz von Leib und Leben der Schwächsten für noch einige Zeit für unverzichtbar, aber die Aufklärung über diese Impfstrategie kann nicht in den Praxen und Betrieben abgeladen werden, wir brauchen dazu eine transparente und verständliche Kommunikation außerhalb der Praxen. In den Praxen und Betrieben muss dann mit prinzipiengeleitetem Pragmatismus flexibel entlang der Priorisierung geimpft werden können.“

    „Da muss der Staat dann auch einfach mal das Vertrauen in die Kollegenschaft setzen, das wir uns doch mehr als verdient haben. Ehrlich gesagt hätte ich schon erwartet, dass die Kommunikation mit allen beteiligten Akteuren des Gesundheitswesens hier im Land etwas flüssiger liefe. Hatten wir zu Beginn der Pandemie noch einen vom Gesundheitsministerium initiierten regelmäßigen und strukturierten Austausch aller Player, so finden seit Anfang September letzten Jahres nur noch anlassbezogene Einzelkontakte mit dem Gesundheitsministerium statt. Das erschwert natürlich gemeinsame Kraftanstrengungen, die zum Beispiel nötig sind, um eine erfolgreiche und schnelle Impfkampagne im Land durchzuführen.“

    „Ich kann daher nur dringlich an das Land appellieren, endlich wieder einen Austausch mit den Akteuren des Gesundheitswesens per Telefon- oder Videokonferenz zu etablieren, um für alle Akteure einen gleichen Informationsstand herzustellen, um Anregungen aufzunehmen, Probleme zu identifizieren, die jeweils nächsten Schritte zu erörtern und um anschließend so weit als möglich mit einer Stimme zu sprechen und gemeinsam zu handeln.“

    „Bis wir es geschafft haben, einen großen Teil der Bevölkerung zu impfen, muss unsere wichtigste Botschaft bleiben: Erste Lockerungen sollten uns nicht zu locker machen. Der Einhaltung der bekannten Hygieneregeln wie Abstand halten, Nutzen von vorgeschriebenen Masken und Lüften kommt derzeit noch immer überragende Bedeutung zu.

    Verordnungen aller Art und hin und her: Es ist und bleibt vor allem unser aller Verhalten, mit dem wir es dem Virus so schwer wie möglich machen können.“

    Henke warb für einen Blick über die Grenzen. „Wenn das Virus sich in einigen Weltregionen ungehindert ausbreitet, kann es mutieren und die Varianten könnten wieder für die ganze Welt zur Bedrohung werden. Und deshalb muss es auch unser Ziel werden, dass schnell mehr Impfdosen für die solidarische Impfinitiative Covax auch für einkommensschwache Länder bereitgestellt werden. Die Pandemie, dafür braucht man keine prophetischen Gaben, wird erst vorbei sein, wenn sie weltweit besiegt ist.“