• „Es brennt in unseren Krankenhäusern lichterloh!“

    Protestaktionen von über 11.000 Klinikbeschäftigten in Mainz und Düsseldorf
    21.September 2023
    Mainz/Düsseldorf (mhe). Alarmstufe Rot. Über 70 Prozent der Kliniken erwarteten für das laufende Jahr ein Defizit. Die Klinikinsolenzen häufen sich bereits, lange bevor der neue Krankenhausplan in NRW wirkt oder die Krankenhausreform des Bundes greift. Die unkontrollierte, kalte Strukturbereinigung gefährdet die flächendeckende stationäre Versorgung. Ein massiver Protest war angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen längst überfällig. Über 1.000 Klinikmitarbeiter demonstrierten daher gestern Mittag in Mainz und über 10.000 weitere Klinikbeschäftigte in Düsseldorf – sie alle eint die Sorge um die Krankenhäuser.

    Im Rahmen des bundesweiten Protestes forderten die Beschäftigten vor allem einen vollen Ausgleich der Tarifsteigerungen und auskömmliche Investitionen der Länder. Von Seiten des Marburger Bundes verwiesen dabei in Mainz Dr. med. Günther Matheis (Präsident der Landesärztekammer Rheinland Pfalz) und Dr. med. Ulrich Strecker (Vorsitzender des MB-Bezirks Rheinhessen) auf die Missstände und Verantwortlichen in der Politik.

    „Es ist keine Frage, wir brauchen eine Krankenhausreform. Bis die Bemühungen des Bundes und der Länder wirken, werden leider noch viele Kliniken in die Insolvenz gehen“, bemängelte Dr. Matheis. Der Bund nehme ein unkontrolliertes Kliniksterben in Kauf und schiebe die Verantwortung auf Vorgängerregierungen und die Länder.

    „Wir brauchen gesunden Menschenverstand und nicht immer mehr von Lauterbachs sog. Experten. Jede einzelne Insolvenz kann einen schwierigen Umbau der Patienten-Versorgung nach sich ziehen. Lebensläufe der Beschäftigten brechen, die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften sind gefährdet und schlimmstenfalls die medizinische Versorgung der Bevölkerung. Es werden etwa in der Geburtshilfe Abteilungen geschlossen, wo wir dringend welche benötigt“, warnte Matheis.

    „Nutzen wir die Krise auch als Chance“, empfahl Dr. med. Ulrich Strecker. „Wir brauchen ein zukunftsfähiges Finanzierungssystem und vor allem die Beteiligung der Beschäftigten, nicht nur Experten.“

    In Düsseldorf zählten Rudolf Henke und Dr. med. Hans-Albert Gehle zu den Rednern. „Wir Ärztinnen und Ärzte sind äußerst besorgt, dass wir die Patientinnen und Patienten nicht mehr so versorgen können, wie diese es brauchen – mit einer Versorgung auf hohem Niveau, die überall im Land gut zu erreichen ist“, klagte Dr. Gehle. Ohne Personal kein Krankenhaus, ohne Personal bleibt jeder Patient allein. Wenn sich nicht ganz schnell etwas ändert, ist das alles in Gefahr! Ich sage klar und deutlich: Es brennt lichterloh!“

    Wir reden also nicht nur über Geld, sondern über ein Versorgungsproblem: Wir reden über Fachkräftemangel. Bislang war es so, dass Ärztinnen und Ärzte, dass die Menschen in der Pflege und in den anderen Berufsfeldern im Krankenhaus den Laden schon irgendwie am Laufen gehalten haben. „Sie werden es schon machen“, damit rechnet man in der Politik und bei den Kassen ganz fest. Doch was hat das für eine Signalwirkung nach außen! Wer soll sich unter diesen Umständen neu für die Arbeit in einer Klinik begeistern? Ob jemand in Berlin auf dem Schirm hat, dass in Krankenhäusern auch Berufsnachwuchs aus- und weitergebildet wird? Ein geschlossenes Krankenhaus kann keinen Facharzt weiterbilden – und wir werden jeden einzelnen brauchen.

    Es steht außer Frage, dass unsere Krankenhäuser eine Reform brauchen. In Nordrhein-Westfalen sind wir dabei sogar schon sehr viel weiter als in anderen Bundesländern, und wir sind alles in allem auf einem guten Weg. Es ist deshalb besonders bitter zu sehen, wenn es einigen unserer Krankenhäuser wirtschaftlich so schlecht geht, dass sie aufgeben müssen. Einige werden die Reform wohl gar nicht mehr erleben.“

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich Landesvorsitzender der Gewerkschaft Marburger Bund wurde, stand ich schon einmal hier vor dem Landtag. Damals haben die Kolleginnen und Kollegen und ich gedacht, so geht es nicht weiter. Ich dachte, es reicht. Wir haben die Schnauze voll. Als ich Präsident der Ärztekammer wurde, habe ich in meiner Antrittsrede gesagt, meine Mutter heißt Fallpauschale, mein Vater Budgetierung. 2010 waren wir mit über 100.000 Menschen in Berlin vorm Brandenburger Tor. Das Ergebnis heute: Das Wasser steht uns bis zum Hals. Es muss jetzt Zusagen geben, sonst kommen wir mit einer Million Beschäftigte zum Brandenburger Tor!“