• Fruchtbarer Dialog über Arztbild

    Kommentar von Michael Krakau zur neuen Ärztegeneration
    05.Dezember 2018
    Im Vorfeld des 121. Deutschen Ärztetages diskutierten bei einer Veranstaltung der Bundesärztekammer junge Ärztinnen und Ärzte über die großen Unterschiede im ärztlichen Selbstverständnis zwischen ihnen und der früheren Ärztegeneration. Dieser Dialog ist nicht abgebrochen. Es ist vor allem jungen Ärztinnen und Ärzten aus unserem Landesverband zu verdanken, dass ihre Meinung unter dem Titel „Es ist Zeit für ein neues Arztbild“ jüngst im angesehenen Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht wurde.
    Mit gutem Recht betonen die jungen Ärztinnen und Ärzte dabei, dass sie eben nicht der oft geschmähten „Generation Spaß“ angehören, sondern wie ältere Kollegen auch ihren ärztlichen Beruf als eine Berufung verstehen. Sie sind hoch motiviert und zudem hochqualifiziert ausgebildet, um ihren Patienten bestmöglich ärztlich zu versorgen.

    In einem Punkt unterscheiden sich junge Ärztinnen und Ärzte aber deutlich: Sie sind nicht gewillt, die ärztliche Arbeit auf Kosten ihrer Gesundheit oder ihres Familienlebens zu leisten. Dieser Einstellung gehört meiner Ansicht nach die allerhöchste Anerkennung.

    Es mag für ältere Ärztegenerationen unverständlich sein, dass nachfolgende Ärztinnen und Ärzte bei ihrer täglichen Arbeit klare Belastungsgrenzen ziehen. Eigentlich wissen wir doch alle, niemand kann wirklich allzeitbereit sein. Auch der steigende Wunsch nach Teilzeitbeschäftigungen ist nicht zu leugnende Realität. Dies mag für viele deswegen schmerzlich sein, weil ältere Ärzte durch die konsequente Haltung jüngerer Kollegen vor Augen geführt bekommen, dass sie selbst ein Opfer ihres Anspruchs an den Arztberuf geworden sind. 

    Um die unbegrenzten Versorgungversprechungen der Politik zu erfüllen, haben Ärztinnen und Ärzte in den Krankenhäusern Jahrzehnte heroisch ihre eigene Gesundheit riskiert, mitunter geschädigt und nicht selten sogar ihr Familienleben ruiniert. Aber, wir erleben durch unseren Nachwuchs gerade, die Zeiten haben sich geändert – zum Glück.

    Früher wie heute gilt: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für unsere Gesundheit und unser Wohlergehen eine entscheidende Voraussetzung. Wir müssen endlich auch unserer eigenen Gesundheit eine höhere Priorität einräumen. Nicht ohne Grund steht in der Neufassung unseres ärztlichen Gelöbnisses: „Ich werde auf meine eigene Gesundheit, mein Wohlergehen und meine Fähigkeiten achten, um eine Behandlung auf höchstem Niveau leisten zu können.“ Denn: Nur wer sorgsam mit den eigenen Ressourcen umgeht, kann sich verantwortungsvoll um die Gesundheit anderer Menschen kümmern. 

    Aber, es geht längst nicht nur um eine ausgewogene Balance des Arbeits- und Privatlebens. Leicht übersehen wird in dieser Debatte, dass junge Ärzte auch klare Forderungen für unsere Patientenversorgung aufstellen. Diese entsprechen den Vorstellungen, die wir auf unserer jüngsten Hauptversammlung in Köln zum Thema „Ökonomisierung der Medizin“ vorgelegt haben. Patienten brauchen nämlich Ärzte, keine Ökonomen.

    Politik, Arbeitgeber, aber auch wir Ärztinnen und Ärzte haben die Pflicht, der durch die fortschreitende Ökonomie bedingten Überlastung der Beschäftigten aktiv entgegenzuwirken und mehr Zeit am Patienten einzufordern. Gute Ärztinnen und Ärzte brauchen Zeit, um mit ihren Patienten zu sprechen. 

    Eine angemessene Personalausstattung ist unabdingbare Voraussetzung für den Gesundheitsschutz der Beschäftigten und Patienten sowie der Qualität in der Patientenversorgung. Heute mehr denn je, müssen wir unser ärztliches Handeln stets am Wohl des Patienten ausrichten. Dies hat gegenüber ökonomischen Überlegungen absoluten Vorrang. Dafür ist mehr Zuwendungszeit für unsere Patienten unverzichtbar. 

    Junge Ärztinnen und Ärzte wollen bessere tarifliche und betriebliche Regelungen, die ihre Arbeitsbelastung senken. Wir diskutieren in unseren Tarifforen derzeit intensiv, wie dies bei der anvisierten Novellierung unseres Tarifvertrages für Ärzte in klare Forderungen gemünzt werden kann. Jeder Einzelne ist eingeladen, die künftigen Arbeitsbedingungen mitzugestalten und sie dann auch mit zu erkämpfen.

    Wer nun immer noch skeptisch auf die jüngere Ärztegeneration blickt, dem sei daran erinnert, es waren in unserem Marburger Bund oft gerade jüngere Ärztinnen und Ärzte, die die ärztlichen Arbeitsbedingungen verbessern wollten oder erfolgreich gegen Fehlentwicklungen kämpften, sei es bei der Gründung des Marburger Bundes 1947 selbst, sei es in den Gremien unserer Ärztekammern oder zuletzt bei den Arbeitskämpfen für unsere bundesweiten Tarifverträge für Ärzte im Jahr 2006. 

    Wir haben für alle angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte viel erreicht – sicherlich längst noch nicht alles. Es gibt keinen Grund, die aktuellen Forderungen der jüngeren Ärztinnen und Ärzte nicht ausreichend ernst zu nehmen. Ich bin froh, dass sie ihre Wünsche so deutlich artikulieren. 

    Lassen Sie uns bitte weiterhin gemeinsam mehr bewegen, überall dort, wo angestellte und beamtete Ärztinnen und Ärzte tätig sind, ob in den Krankenhäusern, ob in MVZ und Praxen, in Gesundheitsämtern und natürlich auch in unseren Ärztekammern. In all diesen Gebieten ist das Engagement jedes Einzelnen gefragt. Es geht um viel mehr als nur unser Arztbild. Aktuell brauchen wir auch Sie persönlich für als Kandidatin/Kandidat auf unseren Listen bei der Kammerwahlen in 2019. Nutzen Sie bitte dafür die Beilage in dieser Ausgabe.