• Für die Zukunft gut gerüstet?

    Kommentar zur Situation der Universitätsmedizin Mainz von Dr. med. Ulrich Strecker
    30.März 2021
    Vor gut einem Jahr hat die Universitätsmedizin Mainz die ersten COVID-19-Patienten aufgenommen. Nach unzähligen weiteren COVID-19-Patienten zählt die einzige Universitätsklinik im Lan[1]de heute zu den wichtigen Säulen in der Pandemiebekämpfung in Rheinland-Pfalz. Diese Pandemie hat eindrucksvoll gezeigt, dass auch die herausfordernde Behandlung des neuen Virus SARS-CoV-2 zu den vielfältigen Kompetenzen der Universitätsmedizin gehört.

    Wir bieten die höchste medizinische Versorgungsstufe, behandeln Patienten mit besonders schweren und komplexen Erkrankungen. Universitätsmedizin – das bedeutet, wir halten in nahezu allen medizinischen Bereichen rund um die Uhr ein Angebot der heute maximal möglichen Spitzenmedizin vor. Das ist aber längst nicht die einzige Aufgabe der Universitätsmedizin – denn auch die Forschung und Lehre zählen ganz wesentlich zu unseren originären Aufgaben.

    Über 3.400 Studierende werden in Mainz zu den dringend benötigten Ärztinnen und Ärzten der nächsten Generation ausgebildet. In einer Zeit, in der uns viele Kolleginnen und Kollegen im Alltag fehlen, sind wir über jeden Einzelnen wirklich froh, der Ärztin oder Arzt werden möchte. Und ebenso traurig, wenn hoch engagierte Medizinstudenten, die nur Teilstudienplätze für den vorklinischen Studienabschnitt haben, nach dem Physikum zwangsexmatrikuliert werden. Warum investiert unsere Landesregierung hier nicht mehr in unsere Zukunft?

    Blicken wir auf die Forschung an der Universitätsmedizin Mainz, sie verspricht die erforderliche ständige Weiterentwicklung der Medizin. Die Ergebnisse unserer Forschung tragen zu den Fortschritten in der medizinischen Versorgung in anderen Kliniken und in Praxen maßgeblich bei. Medizinische Maßstäbe von Morgen werden in Mainz mit entwickelt.

    Vergessen wir nicht, die Universitätsmedizin ist zudem das Stadtkrankenhaus der Landeshauptstadt Mainz. Über 200.000 Mainzer verlassen sich im Alltag darauf, rund um die Uhr im ganzen Jahr in der Universitätsmedizin bestens versorgt zu werden. Bundesweit ist das für eine Uniklinik eine wohl wirklich einmalige Aufgabenvielfalt. Alle Mitarbeiter haben ausgezeichnete Gründe, mit dem Geleisteten zufrieden zu sein. Immer wieder ist aber die Unzufriedenheit der Mitarbeiter nicht zu übersehen.

    Über all diesen herausragenden Leistungen schwebt seit bald einem Jahrzehnt eine finstere Wolke. Immer wieder berichten Medien von einer dramatischen wirtschaftlichen Lage der Universitätsmedizin berichten. Als müssten in der Krankenversorgung vielmehr stattliche Gewinne erwirtschaftet werden.

    Erschreckende zweistellige Millionendefizite summieren sich im Laufe der Jahre in der Tat auf. Das hat traurige Gründe. Viel zu lange haben die politisch Verantwortlichen ihre gesetzliche Pflicht zur Investitionsfinanzierung nicht genüge getan.

    Zudem werden die besonders aufwändigen und dadurch auch besonders teuren Behandlungen an der Universitätsmedizin von den DRG-Fallpauschalen nicht ausreichend erfasst und refinanziert. Auch die jährlichen DRG-Anpassungen ändern das nicht. Wo eben keine Standardversorgung vorgehalten wird, sondern vielmehr die höchste medizinische Versorgungsstufe, da sind extreme Fallkonstellationen an der Tagesordnung, die bleiben unverändert extrem unterfinanziert bleiben. Der Fluchtversuch in immer mehr Leistung ist für die Mitarbeiter eine ständig wachsende Bürde, aber kein Lösungsweg aus der schwierigen wirtschaftlichen Situation.

    Immer wieder rücken leider die ökonomischen Bilanzen in den Blickpunkt, immer weniger die ständig steigenden Fallzahlen oder die herausragenden Leistungen der Ärzteschaft und Pflegekräfte – immerhin sind es fast 8.000 Beschäftigte. Das wurde zuletzt nur kurzzeitig mit Beifall bedacht.

    Wie ließe sich die Misere der Universitätsmedizin ändern? NRW hat eindrucksvoll gezeigt, was Universitätsmedizin wirklich kostet. Fünf Unikliniken erhielten insgesamt 2,2 Milliarden Euro für ihre bauliche Sanierung. Davon sind wir in Rheinland-Pfalz leider sehr weit entfernt. Hier fehlt uns in Mainz noch dazu ein baulicher Masterplan.

    Wir brauchen auch eine tiefgreifende Reform der Finanzierung der Betriebskosten, unterschiedliche Versorgungsstufen und -strukturen müssen adäquat berücksichtigt werden. Der Politik haben wir diese Notwendigkeit schon oft vorgetragen. Bisher ohne Resonanz.

    Aber, auch die Universitätsmedizin Mainz selber braucht zur Konsolidierung eine umfassende Strukturreform. Gut 110 Kliniken arbeiten derzeit unter einem Dach. Ist diese weitgefächerte Struktur wirklich zukunftsfähig? Bedarf es nicht vielmehr einer zentraleren Führung? Helfen engere Kooperationen oder mehr gebündelte Einrichtungen?

    Vergessen wir bei allen Sorgen und Defiziten aber nicht den optimistischen Blick in die Zukunft. Die Universitätsmedizin hat beachtliche medizinische und wissenschaftliche Erfolge vorzu[1]weisen. Nur allzu gerne haben unsere Politiker jüngst bei der Würdigung der Entwicklung des BioNTech-Impfstoffs die bahnbrechenden Forschungsleistungen in der Universitätsmedizin Mainz gewürdigt.

    Erinnern wir doch deshalb unsere Politiker jetzt noch häufiger, wie viel größer unsere Innovationskraft vermutlich noch sein würde, wenn sie endlich ihren finanziellen Verpflichtungen bei der Investitionsfinanzierung der Universitätsmedizin Mainz vollumfänglich nachkämen. Die Anfang März zur Verfügung gestellten zusätzlichen 45 Millionen Euro aus dem Nachtragshaushalt sind nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Auch damit ist die Universitätsmedizin für die anstehenden Zukunftsausgaben leider noch nicht gut genug gerüstet.

    Dr. med. Ulrich Strecker ist Vorsitzender des Marburger Bund-Bezirks Rheinhessen