• Gravierende Missstände und Managementfehler

    MB-Informationsveranstaltung zum geplanten Kölner Klinikverbund
    27.März 2018
    Köln
    mhe. Die Verantwortung für die finanzielle Schieflage der Kliniken der Stadt Köln hat nach Überzeugung der beschäftigten Kölner Ärztinnen und Ärzte ganz wesentlich die Geschäftsführung. Unmissverständlich forderten über 70 Ärztinnen und Ärzte in einer dreistündigen Informationsveranstaltung des Marburger Bundes NRW/RLP die sofortige Ablösung des Geschäftsführers Roman Lovenfosse-Gehrt. Angesichts zahlreicher Fehlentscheidungen und gravierender Missstände sei ein Sanierungskonzept seit langem überfällig. Die Ärztinnen und Ärzte befürchten, dass im Zuge einer Übernahme den Kölner Kliniken sonst nur die „wertvollen Organe“ entnommen werden. Einen solchen Ausverkauf der Kölner Kliniken lehnen sie entschieden ab.

    „Kooperation – Fusion – Übernahme?“ lautet der Titel der MB-Abendveranstaltung in der vorigen Woche. „Wir wollen endlich wissen, wie es weitergeht“, rügten die Teilnehmer die Informationspolitik der Beteiligten. Bekannt ist bisher im Grunde nur, dass die Uniklinik Köln eine Mehrheit an den defizitären Kölner Kliniken erwerben will.

    „Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker ist höchst überzeugt, sie schwärmt geradezu von dieser Idee, aber bis auf die Tatsache, dass es ihr um die schiere Größe eines neuen Kölner Klinikverbundes geht, ist nichts bekannt geworden“, bilanziert Prof. Dr. Reinhard Griebenow, Vorsitzender des MB-Bezirks Köln. „Es gibt noch gar kein Konzept! Ganz oben auf der Tagesordnung müsse seiner Ansicht nach das Prinzip der wohnortnahen Grund- und Regelversorgung stehen“, betonte Griebenow.

    Warum sind die Kölner Kliniken massiv in rote Zahlen gerutscht? Zweifelsfrei tragen die nordrhein-westfälischen Landesregierungen mit zu der Misere bei. „Seit Jahrzehnten kommt das Land NRW seinen Investitionsverpflichtungen nicht nach, aber, nicht alle Kliniken in NRW schreiben rote Zahlen.“ Es gibt weitere Gründe vor Ort: „Da ist der 70 Millionen Euro teure Neubau in Merheim, bei dem zum Zeitpunkt des Spatenstichs schon klar war, dass er seinen Zweck nicht erfüllen kann. Da ist ferner der bis heute betriebene Abbau der Pflegekräfte.“ Die Konsequenzen: Weil Betten ohne Pflege nicht genutzt werden können, sinkt die medizinische Leistung.

    „Da ist auch das disfunktionale Abrechnungssystem und das inkonsistente Verwaltungshandeln zu nennen. Man hat so vieles bis heute einfach geschehen lassen, statt aktiv zu handeln. Die massiven Managementfehler stellen ein Scheitern der Geschäftsführung und des Besitzers dar“, unterstreicht Prof. Griebenow.

    „Es fehlt sicherlich nicht der Wille der Belegschaft, ein positives Ergebnis zu erzielen. Aber in der derzeitigen Situation jedem Arzt das opt out anzubieten sei traurig – etwas Besseres fällt der Geschäftsführung wohl nicht ein“, bemerkte Griebenow.

    Zurzeit gebe es in Köln eine asymmetrische Klinikverteilung. Die Grundversorgung leisten rechtsrheinisch die beiden Kölner Kliniken Merheim und Holweide. Forschung und Lehre leistet linksrheinisch nur die Uniklinik Köln. Die Grundversorgung teilen sich dort andere Kliniken auf. Die Kölner Kinderklinik versorge das ganze Stadtgebiet.

    „Eine Ausdehnung des medizinischen Standortes Forschung auf das gesamte Stadtgebiet böte gewiss gute Chancen. Auch die Versorgungsforschung hätte eine beachtliche Perspektive. Ein integriertes Konzept müsste aber auch von den beiden zuständigen NRW-Ministerien für Gesundheit und Wissenschaft finanziert werden.“

    In vielen Einzelfällen schilderten Kölner Ärztinnen und Ärzte alltäglich erlebbare Missstände. „Wir könnten schwarze Zahlen schreiben, aber wir müssen teilweise so arbeiten wie in der DDR.“

    Beispiele: „In anderen Kliniken werden etwa Arztbriefe digital erstellt und sind schon in zehn Minuten verfügbar. Wir aber müssen zehn Tage warten, bis das Schreibbüro sie fertig gestellt hat und dann beginnt der eben solange Korrekturlauf.“ Die meisten Arbeitsprozesse und -abläufe seien einfach viel zu langsam: „So kann man 2018 keinen Gewinn mehr machen!“

    Vor allem die fehlende Digitalisierung in den Kölner Kliniken wurde bemängelt. „Uns fallen die Karteikarten der Patienten aus den Regalen.“ Modernste Ultraschallgeräte seien zwar gekauft worden, aber die CAT-Kabel-Netzwerkanschlüsse fehlten. Auch falle dem Controllierung gar nicht auf, das vielfach medizinische Leistungen nicht abgerechnet werden. In unserer Abteilung gehen Einnahmen in einem sechsstelligen Bereich im Jahr verloren“, schilderte ein Kölner Arzt.

    Wie wird es weiter gehen? „Die Diskussionen im Kölner Stadtrat sind keineswegs abgeschlossen und auch nicht einheitlich“, erinnerte Michael Krakau, 2. Vorsitzender des Marburger Bundes NRW/RLP. Vor einer Entscheidung müssten die wirtschaftliche Situation, die Chancen und die Risiken einer Übernahme geprüft werden. „Welcher Käufer würde aber die Zahlen anerkennen, die von der Stadt selber in Auftrag gegeben wurden?!“ Ein potenzieller Käufer habe schließlich auch Sorgfaltspflichten.

    Wenn in der Kölner Politik von einer Charité des Westens derzeit geträumt werde, „ist das doch lange noch kein Konzept“, kritisierte Michael Krakau. „Das ist allenfalls eine Überschrift! Ich erwarte rechtzeitig vor einer möglichen Fusion genaue Auskünfte über die Zukunftspläne, sodass wir als Marburger Bund diese sorgfältig prüfen und auch bewerten können.“