• Hält die neue Koalition ihre Versprechungen?

    Aktueller Kommentar des 1. Vorsitzenden des Marburger Bundes NRW/RLP Dr. med. Hans-Albert Gehle
    24.Mai 2017
    Am 14. Mai haben die Wähler für einen politischen Wechsel in Nordrhein-Westfalen gestimmt. Ob das Votum im bevölkerungsreichsten Bundesland ein Präjudiz für die im Herbst anstehende Bundestagswahl ist, kann niemand vorhersagen. Wahlprognosen haben ihre Verlässlichkeit verloren. Realität ist: Eine Woche nach der NRW-Wahl haben sich Christ- und Freie Demokraten entschlossen, Koalitionsverhandlungen zu beginnen. Für uns Ärztinnen und Ärzte ist es ganz wesentlich, was sich durch einen Machtwechsel in der nordrhein-westfälischen Gesundheitspolitik ändern wird? Ich fürchte, nicht allzu viel.

    Was wollen wir? Wir wünschen uns mehr Zeit für unsere Patienten, mehr Zeit für Zuwendung und Gespräche. Wir wünschen uns eine Entlastung der ärztlichen Arbeit im Klinikalltag, ein sektorübergreifendes Konzept, um Ärzte in überlaufenen Notfallambulanzen zu entlasten, damit wir uns endlich um die schwerkranken Patienten in der Klinik kümmern können. Wir wollen verbindliche Vorgaben für Pflegekräfte und Ärzte in Kliniken, da wir schlicht überlastet sind.

    Wir wollen weniger wirtschaftliche Einschränkungen unserer ärztlichen Freiberuflichkeit, um unseren Patienten die beste medizinische Versorgung bieten zu können. Wir fordern stärkere Kontrollen und mehr Sanktionen der Aufsichtsbehörden, da sich die Verstöße gegen die Arbeitszeitgrenzen wieder vermehrt haben.

    Wir wollen endlich die Anwendung unserer Tarifverträge für Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst, um dort die offenen Stellen besetzen zu können, und nicht zuletzt brauchen wir zehn Prozent mehr Studienplätze in NRW, weil uns schlicht Ärztinnen und Ärzte fehlen und wir noch weitaus mehr benötigen, als wir hierzulande derzeit ausbilden. All diese Punkte müssen in NRW realisiert werden, damit unsere permanente Überlastung endlich beendet wird.

    Zu einer neuen Gesundheitspolitik in NRW gehört nach meiner Ansicht in erster Linie auch eine auskömmliche Finanzierung der Krankenhäuser. Viele Kliniken mussten schließen, viele Arztstellen können nicht besetzt werden, weil die Landesregierungen in den letzten Jahrzehnten bei Weitem nicht genug investiert haben. Geld aus der Patientenbehandlung wurde zweckentfremdet, um erforderliche Investitionen überhaupt bezahlen zu können. Wird die neue Landesregierung ihre gesetzliche Pflicht verantwortungsvoll erfüllen? Ich habe meine Zweifel.

    Ich erinnere an unsere auf der Hauptversammlung in Mainz 2017 gefassten klaren Beschlüsse: „Im Rahmen ihrer gesetzlichen Verpflichtungen müssen beide Bundesländer ihre Investitionsförderung entsprechend dem tatsächlichen Bedarf deutlich erhöhen.“ Nicht nur wir warnen seit Jahren vor den Folgen der chronischen Unterfinanzierung. Die Krankenhausgesellschaft NRW bilanziert, dass den Kliniken jedes Jahr eine Milliarde Euro für Investitionen fehlen. Der investive Stau ist um ein Vielfaches immenser: Er wird auf mehr als 12,5 Milliarden Euro beziffert.

    Unsere Forderungen haben die Parteien endlich wahrgenommen: Im Schlussspurt des Wahlkampfes überschlugen sich etablierte Parteien geradezu, um milliardenschwere Programme und Pläne für Kliniken anzukündigen. Die CDU warb mit einem dreistelligen Millionenbetrag als Soforthilfe, folgen soll ein Konzept für eine regionale Versorgung mit personell gut ausgestatteten Kliniken.

    In einer dritten Stufe sei ein „bedarfsorientiertes Investitionsprogramm“ vorgesehen, das die Finanzierung der Kliniken langfristig sichern soll. Auch die FDP hat sich vor der Wahl geläutert positioniert: Der Investitionsstau solle sukzessive aufgelöst werden. Ich bin hoch gespannt, wie viel sich von diesen wohlfeilen Wahlversprechungen tatsächlich am Ende im Koalitionsvertrag wiederfinden lässt und vor allem in der neuen Landespolitik für NRW ankommen wird.