• Ist eine neue Krankenhausplanung mit dem DRG-Abrechnungssystem vereinbar?

    Dr. Hans-Albert Gehle: Wir begrüßen Milliarden-Investitionen / Investitionsstau längst nicht aufgelöst
    27.September 2020
    Köln (mhe). „Seit unserer letzten Hauptversammlung blicken wir zurück auf ein außergewöhnliches Jahr, das wir uns alle so wohl zuvor nicht haben vorstellen können. An dieser Stelle nur so viel: Wir leben in einer neuen Normalität. Wir müssen akzeptieren und auch immer wieder neu lernen, dass wir mit Keimen und Infektionen leben.“ Mit diesen Worten eröffnete unser MB-Vorsitzender Dr. med. Hans-Albert Gehle die diesjährige Hauptversammlung in Köln. Eine Hauptversammlung, die es so in den vergangenen sieben Jahrzehnten so noch nicht gegeben hat. Gut 100 Delegierte, die in den 26 Bezirken in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gewählt worden waren, trafen sich unter besonderen Hygieneschutzbedingungen in einem großen Veranstaltungssaal eines Kölner Hotels – mit 1,50 Metern Mindestabstand in den Sitzreihen, einem Mundschutz im Verlauf der gesamten Veranstaltung und reichlich Desinfektionsmittel zur Hand. Man diskutierte intensiv, hielt aber Abstand.

     

    60 Delegierte nahmen per Streaming live teil

    Weitere gut 60 Delegierte verfolgten das gesamte Geschehen per Streaming. Sie meldeten sich digital zu Wort und stimmten auch bei den Beschlüssen mit ab. Eine Premiere, die recht ordentlich klappte.

    „Ist eine neue Krankenhausplanung mit dem DRG-Abrechnungssystem vereinbar? Das ist die Frage, die wir heute mit unseren Gästen beantworten wollen“, bemerkte Hans Gehle eingangs.

    „Trotz Corona wurde die Krankenhausplanung in NRW eifrig fortgesetzt. Die Gesundheitsministerin des Landes RLP schaut mit großem Interesse nach NRW. Sie signalisierte bereits, sich vorstellen zu können, einiges für RLP zu übernehmen.“

    Begrüßenswerte Milliardenhilfen

    „Wir haben begrüßt, dass im Rahmen der Corona-Pandemie vom Bund und den Landesregierungen zusätzliche Milliardenbeträge in die Krankenhäuser investiert werden. NRW ist sicherlich dabei ein Vorbild für andere Bundesländer, denn hier wurden in den vergangenen Jahren die Klinik-Investitionen durch Minister Laumann (CDU) deutlich erhöht, zuletzt Anfang September eine zusätzliche Milliarde Euro für Kliniken und Pflegeschulen bereitgestellt.

    Investitionsstau längst nicht aufgelöst

    Eine weitere Milliarde Euro erhalten zudem die Universitätskliniken in NRW. Auch für die 84 Krankenhäuser in Rheinland-Pfalz stehen rund 140 Millionen Euro zusätzliche Bundesmittel bereit. Die Landesregierung stellt weitere 60 Millionen Euro Mittel bereit. Den Kliniken in RLP verbleibt so kein Eigenanteil. Damit ist aber der über Jahrzehnte aufgelaufene Investitionsstau längst noch nicht aufgelöst“, stellte Hans Gehle klar.

    „Die Gesundheitspolitik steuert zwar endlich in die richtige Richtung, aber, nur wenn sie die benötigen Investitionsmittel dauerhaft bereitstellt, werden die Landesregierungen ihrer gesetzlichen Verantwortung gerecht. Unabdingbar für ein zeitgemäßes Finanzierungssystem der Krankenhäuser ist, dass die Bundesländer den Kliniken die benötigten Investitionsmittel vollumfänglich und dauerhaft zur Verfügung stellen müssen.

    Bundesrechnungshof fordert Grundgesetzänderung

    Sogar der Bundesrechnungshof bemängelte vorige Woche grundlegende Defizite bei der Krankenhausplanung und -finanzierung. Der Finanzbedarf aller Kliniken liege jährlich bei sieben Milliarden Euro. Die Länder investieren aber auf „gleichbleibend niedrigem Niveau nur zwischen 2,6 und drei Milliarden Euro“.

    Die Finanzprüfer bezweifeln die Zukunftsfähigkeit der deutschen Krankenhäuser. 40 Prozent der Kliniken erwirtschaften bereits Verluste, jeder zehnten Klinik drohe eine Insolvenz.

    Der Bundesrechnungshof fordert eine Grundgesetzänderung, die die Verantwortung zwischen Bund und Ländern neu regelt.

    Über Fallpauschalen würden derzeit vornehmlich Mengen finanziert. Die hochinvasive Medizin sei überfinanziert, die Grundversorgung würde dagegen verhungern. Die Versorgungsstruktur müsse endlich am Maßstab der medizinischen Bedürfnisse der Bevölkerung festgelegt werden, so der Bundesrechnungshof.

    Beispiel Kinderkliniken: Aus für DRG gefordert

    Kliniken stehen auf zwei Beinen: Seit über fünf Jahren fordern wir im Landesverband die Abschaffung des Finanzierungssystems, in dem Behandlungen in Krankenhäusern über rein leistungsorientierte Fallpauschalen (DRG) vergütet werden. Nun hat erstmals eine Partei unsere Forderung übernommen – für den medizinischen Bereich der Kinder- und Jugendmedizin sowie der Geburtsmedizin.

    Das Präsidium der SPD verwies Ende Juli völlig zu Recht auf die besonders personalintensive und damit teure Versorgung von Kindern sowie die fehlende Kostendeckung. „Wir müssen in der Kinder- und Jugendmedizin weg von den Fallpauschalen!“, heißt es wörtlich.

    Die Mehrkosten in der Versorgung von Kindern werden bekanntlich durch das DRG-System – trotz zahlreicher Aktualisierungen – nicht ausreichend abgegolten. Gerade im ländlichen Raum fehlt dadurch bereits oftmals eine kindermedizinische hochwertige Versorgung, da sich die Kindermedizin wegen der oft geringen Fallzahlen aus Sicht der Kliniken schlicht „nicht rechnet“. „Geburtshilfe und Kinderheilkunde sind nicht mehr kostendeckend zu leisten“, haben wir mehrfach in der Vergangenheit gewarnt.

    Wir müssen grundsätzlich weg von den Fallpauschalen

    Das ist richtig, reicht aber noch nicht! Es ist keine Frage, die Situation bei den Kinderkliniken zeigt überdeutlich, wir müssen grundsätzlich in den Krankenhäusern weg von Fallpauschalen – für die Kindermedizin, aber auch bei allen anderen.

    Vor zwei Jahren haben wir im Rahmen unserer Hauptversammlung in Köln ein dreiseitiges Positionspapier vorgelegt, in dem wir ausdrücklich vor den negativen Auswirkungen zunehmender Ökonomisierung durch das DRG-System warnten und auf unsere gleichlautenden älteren Beschlüsse verwiesen.

    Krankenhäuser benötigen ein neues Vergütungssystem

    Die Behandlung der Patienten darf nicht mehr dem Erreichen einer Umsatzrendite dienen. Wir sind heute unverändert der Überzeugung, dass das Krankenhausfinanzierungssystem durch ein neues Vergütungssystem ersetzt werden muss, dass die Kosten der aus ärztlicher Sicht nötigen Versorgung der Patienten auch tatsächlich abdeckt.

    Wir meinen, die Behandlung unserer Patienten darf nicht mehr dem Erreichen einer Umsatzrendite dienen. Unser Gesundheitssystem muss vielmehr finanziell so ausgestattet sein, dass die Qualität der Versorgung der Patienten flächendeckend gesichert ist und die Gesundheit der Beschäftigten nicht mehr gefährdet wird.

    Dies ist auch Ziel der Krankenhausplanung NRW wie Minister Laumann uns im letzten Jahr auf unserer Hauptversammlung dargestellt hat. Nicht nur die zunehmende Vorhaltung von kosten- und personalintensiven Doppelstrukturen zu verhindern, sondern vor allem überlebensfähige Häuser der Grundversorgung in hoher Qualität in der Fläche zu schaffen – das soll mit dem neuen Krankenhausplan erreicht werden.

    Wie aber kann das funktionieren? Und ist das im DRG-System möglich oder braucht es vielmehr neue Finanzierungssysteme?