• Krankenhausreform - tatsächliche Abkehr vom DRG-System unverzichtbar

    Kammerpräsident Rudolf Henke kritisiert neue, künstlich definierte starre Level
    28.Februar 2023
    Düsseldorf/Köln (mhe). Die Kritik an der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angekündigten revolutionären Krankenhausreform wird immer breiter: nach der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der KGNW warnt auch der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Rudolf Henke, vor einer Eins-zu-eins-Umsetzung der Berliner Vorschläge. „Das hätte eine enorme Umgestaltung der Krankenhauslandschaft zur Folge.“ Der überwiegende Teil der derzeit 337 Krankenhäuser in NRW würde von elementaren Teilen der Versorgung ausgeschlossen. „Krankenhausplanung funktioniert nicht vom grünen Tisch, sondern nur unter Kenntnis regionaler Gegebenheiten und Anforderungen“, warnte Henke. Die Versorgungssicherheit müsse im Vordergrund stehen. Der nordrheinische Kammerpräsident warnte vor einer Ausdünnung der Versorgung und Wartelistenmedizin. "Das würde die Ärzteschaft nicht mittragen."

    „Der Bund kann das operative Handeln nicht übernehmen. Nordrhein-Westfalen mit Ballungsräumen und ländlichen Gebieten steht bei der Krankenhausplanung vor anderen Herausforderungen als Mecklenburg-Vorpommern als ländlich geprägtes Flächenland.“ Bei einer konsequenten Anwendung des Reformkonzeptes verblieben in NRW laut Folgeabschätzung der KGNW nur 36 Kliniken, die wichtige medizinische Leistungen erbringen.

    Krankenhausplanung funktioniert nicht vom grünen Tisch

    Rudolf Henke unterstrich, dass die Bundesländer in Deutschland für die Krankenhausplanung zuständig sind. „Deshalb haben sie die Beteiligung und Zustimmungspflicht bei dem geplanten Krankenhausreformgesetz eingefordert. Nur, wenn die gemeinsame Gesetzgebung den richtigen Prioritäten folgt, kann daraus auch eine gute Reform werden.“

    „Wir wünschen uns, den eingeschlagenen Weg der Krankenhausplanung in NRW fortzusetzen, flankiert von einer Krankenhausfinanzierung, die eine tatsächliche Abkehr vom DRG-System bedeutet und eine individuelle medizinische, bedarfsgerechte Versorgung von Patientinnen und Patienten sicherstellt.“

    Nach den Vorschlägen der Regierungskommission zu einer grundlegenden Krankenhausreform sollen die Kliniken statt künftig nur über diagnosebezogene Fallpauschalen (DRG) nach drei neuen Kriterien vergütet werden: Vorhalteleistungen, Versorgungslevels und Leistungsgruppen. Zu diesem Ansatz äußerte Henke deutliche Kritik: „Wir brauchen keine neue Einteilung der Krankenhäuser in künstlich definierte starre Level. Wir haben bereits ein definiertes und praktisch eingeführtes Stufenmodell der Notfallversorgung mit Maximalversorgern, Schwerpunktversorgern und Grundversorgern durch den Gemeinsamen Bundesausschuss und daran geknüpfte Qualitätsvorgaben. Dessen Einführung war konfliktbeladen genug.“

    Großteil kleinerer Häuser würden zu Kurzzeitpflegeeinrichtungen reduziert

    „Das starre Definieren neuer Level führt aus unserer Sicht zum Ausschluss von versorgungsrelevanten Häusern und erschwert die Planung der regionalen Versorgung.“ So reduziere das vorgeschlagene Konstrukt der „Level Ii Stufe“ den Großteil kleinerer Häuser zu Kurzzeitpflegeeinrichtungen. Weder gebe es einen klaren Rechtsrahmen noch ein klares Aufgabenprofil. „Wie in diese Systematik die ambulante Versorgung eingebunden werden soll, erschließt sich bisher nicht. Unser Vorschlag wäre, das etablierte Belegarztwesen zu reaktivieren und nicht das Rad neu zu erfinden.“

    „Die Krankenhausvergütung um Vorhaltebudgets zu ergänzen ist richtig. Aber deren Ansatzpunkte müssen die Erfordernisse der Notfallversorgung und eine Abkehr von den bisherigen Mengenanreizen sein. Das sehen wir in den vorliegenden Vorschlägen der Kommission nicht ausreichend abgebildet.“ Henke forderte, die gesamten patientennahen Personalkosten aus den Fallpauschalen auszugliedern. „Nur so werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, in den Krankenhäusern für eine stärker bedarfsorientierte und weniger erlösorientierte Personalpolitik zu sorgen.“

    Angesichts des Personalmangels im Gesundheitswesen sei eine Zusammenlegung von Kliniken mit Augenmaß eine wichtige Maßnahme, um die Effizienz zu erhöhen und eine personelle Mindestbesetzung zu gewährleisten. „Doch auch nach einem Transformationsprozess müssen Kliniken für alle Bürger noch gut erreichbar sein.“

    Die Corona-Zeit habe bedrückend eindrucksvoll gezeigt, wie Patienten ohne Besuch ihrer Angehörigen vereinsamten, was es bedeutet, wenn selbst Sterbende die Nähe der Angehörigen verweigert wurde. „Wer Krankenhäuser schließt und damit Anfahrtswege erweitert, muss auch ein Konzept für Hol- und Bringdienste für eine zunehmend ältere und immobile Bevölkerung zu Krankenhäusern und zwischen den unterschiedlichen Versorgungsebenen entwickeln, sonst werden Standortschließungen keine Akzeptanz in der Bevölkerung finden.“

    60 Prozent der Krankenhäuser haben heute schon massive finanzielle Problem

    Rudolf Henke hält es für „sehr sportlich“ die grundlegende Umwandlung der deutschen Krankenhauslandschaft in fünf Jahren überhaupt bewerkstelligen zu können. Angesichts der prekären Lage der Kliniken bestünde eher die große Gefahr, dass aktuelle Entwicklungen bereits in der zweiten Jahreshälfte massiv zu ungeplanten Klinikschließungen führten. Die Defizite des Systems haben sich in den letzten Jahren schon besonders deutlich in den Kinderkliniken gezeigt.

    „Ein rein an ökonomischen Maßstäben ausgerichtetes Finanzierungssystem von Kliniken hebelt das Prinzip der Daseinsfürsorge aus. Die DKG warnt vor einer Pleitewelle. 60 Prozent der Kliniken stehen bereits vor massiven finanziellen Problemen. Wir brauchen für die Kliniken schnell ein vernünftig konstruiertes Vergütungssystem, das in der Lage ist, eine bedarfsgerechte Krankenhausversorgung sicherzustellen. Sorgfalt, Augenmaß und wirksame - auch finanziell wirksame - Zwischenlösungen sind deshalb ebenso gefragt, wie eine gute Krankenhausreform.“

    Konsens mit allen Akteuren bei neuer NRW-Krankenhausplanung sollte Vorbild für Finanzierungsfragen auf Bundesebene sein

    Der nordrheinische Kammerpräsident äußerte abschließend den Wunsch, dass sich die Bund-Ländergruppen in den anberaumten 50 Sitzungen auch der Expertise der Akteure der Selbstverwaltung bedienen, die am Ende von der Reform am meisten betroffen sein werden. „Was hier in NRW gelungen ist, nämlich die Grundlagen einer neuen Krankenhausplanung im Konsens mit allen Akteuren zu gestalten, das müsste in den Finanzierungsfragen doch auch auf der dafür zuständigen Bundesebene gelingen, wenn man denn willens ist“, appellierte Rudolf Henke.