• Kreissaal ohne Ärzte fördert mehr natürliche Geburtsverläufe

    Hebammenkreißsaal - Gesundheitsminister Laumann und Universitätsklinikum Bonn stellen Ergebnisse eines zweijährigen Forschungsprojekt vor
    24.August 2020
    Düsseldorf/Bonn. Hat es Vorteile oder Nachteile auf die medizinische Qualität, wenn ausschließlich Hebammen selbstständig Geburten betreuen? Nach einer zweijährigen Studie ziehen das Universitätsklinikum Bonn und das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium eine klare Bilanz: Die Studie belegt, dass ein hebammengeleiteter Kreißsaal natürliche Geburtsverläufe mit weniger operativen Eingriffen und Schmerzmitteln fördert und sich die Geburtsdauer im Durchschnitt verkürzt. Darüber hinaus trägt das Versorgungsmodell zur Arbeitszufriedenheit der Hebammen bei. Ausgewertet wurden bezüglich wichtiger medizinischer Merkmale für Mutter und Neugeborene alle 612 hebammengeleiteten Geburten am Universitätsklinikum Bonn in den Jahren 2010 bis 2017. Zum Vergleich - alleine 2017 wurden in NRW 168.505 Geburten gezählt.

    „Die Studie zeigt, dass eine Geburt im Hebammenkreißsaal sicher ist“, bilanziert NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. „Das Versorgungsmodell kann die geburtshilfliche Versorgung und die Zufriedenheit der Beschäftigten verbessern. Es ist ein wichtiger Baustein für die strukturelle Verbesserung der geburtshilflichen Versorgung. Daher bin ich der Auffassung, dass sich das Angebot nicht nur auf einzelne Kliniken beschränken, sondern möglichst großflächig vielen werdenden Müttern angeboten werden sollte. Daher werden wir über die Vorzüge des Hebammenkreißsaals informieren.“

    Das positive Gesamtbild hat Prof. Dr. Ulrich Gembruch, geschäftsführender Direktor des Zentrums für Geburtshilfe und Frauenheilkunde am Universitätsklinikum Bonn, unterstrichen: „Der Hebammenkreißsaal erhöht die Wahlfreiheit Schwangerer für ihre Geburtsbetreuung. Die Frauenklinik Bonn hat den hebammengeleiteten Kreißsaal als erste Universitätsklinik Deutschlands eingeführt, und nach elf Jahren blicken wir auf eine hohe Zufriedenheit bei Gebärenden, Hebammen und Ärzten zurück.“

    Wesentlicher Bestandteil des Konzepts ist die ausschließliche und kontinuierliche, selbstständige und eigenverantwortliche Betreuung der Gebärenden durch erfahrene Hebammen. Bei Auffälligkeiten des Geburtsverlaufs oder auf Wunsch der Gebärenden erfolgt eine Weiterleitung in die ärztliche Mitbetreuung, erklärte Prof. Gembruch.

    In dem mehrteiligen Forschungsprojekt GEscHIcK (Geburt im hebammengeleiteten Kreißsaal – Entscheidungsabläufe, Qualitätssicherung und ‚Best Practice‘ Modell‘) unter Leitung von Privatdozentin Dr. Waltraut Merz und Andreas Kocks am Universitätsklinikum Bonn (Mai 2018 bis Dezember 2020) wurden erstmals Daten zur medizinischen Sicherheit von hebammengeleiteten Geburten in Nordrhein-Westfalen sowie Erfahrungen mit dem Versorgungsmodell erhoben und ausgewertet.

    Zum Hintergrund:

    • 168.505 Geburten in Nordrhein-Westfalen (2017) (Deutschland: 761.076)
    • 153 geburtshilfliche Abteilungen an Kliniken in Nordrhein-Westfalen (2017)
    • Inzwischen neun Hebammenkreißsäle in Nordrhein-Westfalen (Bad Oeynhausen, Bonn, Düsseldorf, Gütersloh, Herdecke, Köln, Oberhausen, Paderborn und Velbert), 23 bundesweit
    • 2017 kamen rund 99 Prozent der Kinder in Nordrhein-Westfalen in Geburtskliniken zur Welt. 
    • 2017 lag die Kaiserschnittrate in Nordrhein-Westfalen bei 31 Prozent (Bundesdurchschnitt: 30,5 Prozent).
    • Zum Stichtag 31. Dezember 2017 waren 2.420 Hebammen in nordrhein-westfälischen Krankenhäusern tätig. Davon waren 1.795 Hebammen teilzeitbeschäftigt.