• Licht und sehr dunkler Schatten

    1. Stellvertretender Vorsitzende Dr. med. Sven Dreyer zu den Regierungsplänen zur Notfallversorgung
    18.Oktober 2023
    Die Regierungskommission von Karl Lauterbach hat ihr neues Projekt veröffentlicht. Diesmal beschäftigen sich die Experten mit der Notfallversorgung in Deutschland. Bedauerlich ist, dass kein Ärztlicher Leiter Rettungsdienst zu den Verfassern gehört. Dennoch finden sich in dem Papier einige gute Ansätze: Stärkung der Laienreanimation, Ausweitung des Telenotarztes in der Fläche, digitale Vernetzung – das sind richtige, gute und zielführende Pläne. Einige Fachgesellschaften feiern die geplante Aufnahme des Rettungsdienstes ins SGB V als längst überfälligen Schritt, hier liegen Licht und Schatten aber eng beieinander. Denkbar, dass die Möglichkeit der Abrechnung ambulanter Behandlung durch den Notarzt zu einer gewissen Reduktion von Krankenhauseinweisungen führt; die hier bisher veranschlagten Preise würden allerdings zum Teil nicht den Sprit für das Rettungsmittel decken.

    Erschwerend kommt hinzu, dass mit dem SGB V ein Gremium ohne ärztliches Stimmrecht über einen zentralen Bereich der Daseinsfürsorge entscheiden würde: der allseits beliebte GBA. So schön der Gedanke von einheitlich vom GBA vorgegebenen Standards für den Rettungsdienst ist, so divers ist die Realität in der Rettung. Rettungsmittel und Einsatztaktiken in der Stadt, taugen wenig in ländlichen Gebieten und noch weniger im Gebirge.

    Der Rettungsdienst als hoheitliche Aufgabe in der Daseinsfürsorge muss konkurrenzlos und auskömmlich finanziert bleiben. Einen neuen RTW erst beschaffen zu dürfen, wenn die Fallzahlen stimmen, darf niemals zu einem realen Szenario werden.

    Noch mehr Schatten schlagen jedoch die Ausführungen zu Beginn der Stellungnahme. Es wird eine altbekannte Sau durchs Dorf getrieben: die angeblich fehlende Qualität frisch approbierter Ärztinnen und Ärzte. Als wäre Notfallmedizin während der sechs Jahre Studium nie Thema gewesen, wird - ohne Beleg - unterstellt, der Erwerb einer Zusatzbezeichnung mit Prüfung vor der Ärztekammer sei nicht hinreichend, um einen Qualitätsstandard zu liefern, der mit einer dreijährigen Ausbildung zum Notfallsanitäter vergleichbaren ist. Das allein die Approbation ausreicht, um im PKV-System jedwede ärztliche Tätigkeit zu liquidieren und es keine Klagen über Qualität gibt, übersehen die Experten.

    In einer Zeit, in der es schwierig ist, ausreichend Personal für die Notfallversorgung von Patienten zu finden, einen neuen Heilberuf schaffen zu wollen, der um dieselben Personengruppe wirbt, ist gelinde gesagt schwierig.

    Der noch verhältnismäßig junge Beruf des Notfallsanitäters hat mit der Möglichkeit der Regeldelegation massiv an Qualität und Attraktivität gewonnen, dennoch sind auch hier viele offene Stellen zu finden.

    Einen neuen akademisierten Heilberuf „Paramedic“ zu schaffen und mit dem Attribut Substitution ärztlicher Leistung zu versehen, ist, grade in Zusammenhang mit den eingangs erwähnten Bemerkungen zur ärztlichen Qualifikation nach dem Medizinstudium die pure Provokation.

    Niemand, am wenigsten die Notfallsanitäter wünschen sich diese Substitution. Niemand kann zehn Jahre warten bis erste Absolventen in einem neuen Studiengang qualifiziert werden.

    Patienten, vor allem, wenn Sie in lebensbedrohender Not sind, brauchen eine Notärztin oder Notarzt aus Fleisch und Blut an ihrer Seite; nicht erst wenn die Not so groß ist, dass sonst keiner mehr hilft. Der Marburger Bund lehnen wir die Substitution originärer ärztlicher Leistungen kategorisch ab!