• Licht und zu viel Schatten

    Landesvorsitzender Dr. med. Hans-Albert Gehle kommentiert Tarifentwicklungen
    29.April 2020
    Nach wochenlangen Sitzungen und unzähligen Telefon-Gesprächen haben wir in der vorige Woche für den TV-Ärzte KF in der Arbeitsrechtlichen Kommission (ARK) Rheinland, Westfalen und Lippe der Diakonie eine deutliche Verbesserung der Gehälter und der Arbeitsbedingungen für Tausende Ärztinnen und Ärzte in gut 100 evangelischen Krankenhäusern erreicht, die überwiegend in unserem Landesverband liegen. Im nahtlosen Anschluss steigen die Gehälter in der ARK RWL in den Entgeltgruppen in drei Stufen um insgesamt 6,5 Prozent. Erstmals erhalten die im Geltungsbereich des TV-Ärzte KF beschäftigten Ärztinnen und Ärzte neue Grenzen bei den Bereitschaftsdiensten sowie Wochenenddiensten und Fristen für die Dienstplanerstellung. So kann die Gesamtarbeitslast gesenkt werden. Zudem gibt es einen Zuschlag für die gesamte Zeit des Bereitschaftsdienstes. Damit folgt der TV-Ärzte KF dem im Vorjahr verbesserten ärztlichen Branchenstandard. Dieser wurde erstmals im Mai 2019 mit der VKA vereinbart.

    Gerade in der Zeit der besonderen Belastungen durch die Corona-Pandemie sind derartige Fortschritte bei den Gehältern und Arbeitsbedingungen eine unverzichtbare Form der Wertschätzung der Ärzteschaft. Für die Kliniken sind es immense Wettbewerbsvorteile bei der Gewinnung von Ärztinnen und Ärzten auf dem Arbeitsmarkt.

    Selten haben wir Ärztinnen und Ärzte so viel Anerkennung und Wertschätzung in der Bevölkerung wie in den vergangenen Wochen erhalten. Umso unverständlicher ist mir deshalb, dass in manchen Bereichen – etwa die Arbeitgeber bei der Caritas, die BG-Kliniken und die VKA bei den ÖGD-Ärzten – sich noch immer strikt weigern, die ärztlichen Gehälter ebenso adäquat weiterzuentwickeln, die Arbeitsbedingungen zu verbessern oder überhaupt den TV-Ärzte anzuwenden. 

    Was im Bereich der Diakonie mit dem TV-Ärzte KF vorbildlich gelungen ist, verweigern bei der Caritas die Dienstgeber beharrlich. Seit über einem Jahr erhalten zehntausende Ärztinnen und Ärzte in den gut 250 katholischen Krankenhäusern in NRW und RLP leider keine gebotene adäquate Wertschätzung. Im Geltungsbereich der Caritas hat es die Arbeitsrechtliche Kommission des Bundes noch nicht mal vermocht, die VKA-Einigung vom Herbst 2016 zu übernehmen. 

    Die Dienstgeber haben auch in den vergangenen Monaten nichts unversucht gelassen, die berechtigten Forderungen der Dienstnehmerseite nach wirkungsgleicher Übernahme des TV-Ärzte/VKA zu verhindern. Gescheiterte Sitzungen, gescheiterte Schlichtung, erzwungener Stillstand. Solange es kein Streikrecht gibt, können die Arbeitgeber mit ihren Blockaden leider wirkungsvoll jede Weiterentwicklung ärztlicher Gehälter und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in der Caritas verhindern. Daran hat auch die Dienstnehmerseite, in welcher der Marburger Bund nur drei von 31 Mitgliedern stellt, nichts ändern können.

    Die Folge: Die Ärztinnen und Ärzte werden – und das obwohl sie gerade in der Corona-Pandemie über alle Grenzen hinweg belastet sind – vom tariflichen Branchenstandard abgekoppelt. Doch damit nicht genug: Die Dienstgeber fordern nun die Kliniken auf, für sie günstigere Bestechungsgelder zu zahlen – damit stellen sie selber das Auslaufmodell des Dritten Weges in Frage. 

    Was wird mit dieser Interpretation des Dritten Weges erreicht? Die Dienstgeber senken auf dem Rücken ihrer Leistungsträger etwa gegenüber der VKA – bei gleicher Finanzierung der Kliniken – vermeintlich segensreich monatelang ihre Personalkosten. Das stellt tatsächlich eine Bankrotterklärung der Caritas dar, die doch eigentlich allzu gerne das hohe Lied der „Dienstgemeinschaft“ anstimmt. 

    Im etablierten, aber aus unserer Sicht höchst fragwürdigen System der Arbeitsrechtsfindung des Dritten Weges – so wie die Caritas ihn lebt – können die Arbeitnehmer letztlich doch nur noch irgendwann demütig auf die Knie sinken, wenn die Arbeitgeberseite herrschaftlich die wirkungsgleiche Übernahme des TV-Ärzte/VKA dauerhaft blockiert. 

    Es ist und bleibt erschreckend: Wer bei der Caritas als Ärztin/Arzt tätig ist oder eine Arbeitsstelle sucht, der steht vor einem persönlichen Leidensweg – mit längeren Arbeitszeiten, weniger Gehalt und deutlich schlechteren Arbeitsbedingungen. 

    Ich jedenfalls weiß, dass die Ärztinnen und Ärzte in der Caritas sich nicht mit Prämien nach Gutsherrenart abspeisen lassen werden. Es geht um mehr. Es geht um Ihre Arbeits- und Lebensbedingungen. Es wird Zeit für uns, einen solches Handeln mit klaren Antworten zu versehen.

    Leider ist das nicht der einzige Schatten in der Tariflandschaft. Ob die Verweigerung der VKA, wie vereinbart die Verhandlung für die Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) weiter und zum Ziel zu führen, oder die BG-Kliniken, die erst die Tarifeinigung am 21. Februar mit der Abschaffung der Minusstunden als Erfolg feiern und sie dann am letzten Tag der Widerspruchsfrist widerrufen. 

    Gerade in der Corona-Pandemie leisten Ärztinnen und Ärzte unzählige Überstunden und Zusatzdienste. Die Anerkennungs- und Dankesreden zu unseren Leistungen in der Pandemie führen nicht bei allen Arbeitgebern zur Vernunft. Eine jetzt erforderliche Wertschätzung müsste gerade in der Caritas, dem ÖGD und der BG sicherlich ganz anders aussehen. (Wir berichteten.)

    Andere Klinikträger haben dagegen zum Glück die Zeichen der Zeit erkannt und beweisen wie es richtig geht – mit branchenüblich höheren Gehältern und deutlich verbesserten Arbeitsbedingungen. 
    Es zeigt immer wieder eins: Von allein passiert nichts. Nur wir selber können unsere Arbeitsbedingungen verbessern. Hierzu müssen wir auch nach der Pandemie wieder streit- und streikbereit sein.