• Mit Studium auf Masterniveau droht markante Verschlechterung der Versorgung

    Rudolf Henke kritisiert Zersplitterung der somatischen und psychischen Behandlungskompetenz
    07.Februar 2019
    Düsseldorf/Aachen. Zu einer guten Versorgung von Patienten gehört es, sich bewusst um eine ganzheitliche, zwischen den Versorgungsebenen abgestimmte und koordinierte Behandlung zu kümmern. Anhand der aktuellen Pläne zur Reform der Notfallversorgung erleben wir gerade beispielhaft, wie schwierig es ist, unterschiedlich gewachsene Versorgungsstrukturen so zu harmonisieren, dass für den Patienten eine Versorgung aus einem Guss gelingt, die dann gleichzeitig auch den Ansprüchen einer effektiven und effizienten Nutzung von Ressourcen entspricht, schreibt Rudolf Henke im aktuellen Nordrheinischen Ärzteblatt. Und nun erfahren wir, dass mit dem am 3. Januar 2019 vorgelegten 76-seitigen Referentenentwurf zum „Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz“, der das bisherige „Psychotherapeutengesetz“ (PsychThG) ablösen soll, völlig ohne Not ein neues Berufsbild nicht mehr des Psychologischen Psychotherapeuten, sondern des Psychotherapeuten schlechthin geschaffen wird.

    Damit soll eine neue Versorgungsebene eingezogen werden, die die Behandlung von Patienten zukünftig vollends in eine körperliche und eine ­psychische Versorgung fragmentieren wird. Die Neuregelung zielt auf ein Studium auf Masterniveau ab, das zur Erteilung der Approbation führt. Absolventen haben dann die Berechtigung, in ihrem Beruf zu arbeiten. Auch sind die im alten PsychThG definierten Abstimmungspflichten („Im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung ist eine somatische Abklärung herbeizuführen“) gestrichen worden.

    Ist niemandem der Autoren bewusst, dass er damit eine markante Verschlechterung der Versorgung in Kauf nimmt? Denn die Frage der Feststellung einer psychischen Störung mit Krankheitswert und deren Weiterbehandlung umfasst immer auch eine organische Abklärung, die nur in einer vernetzten Versorgungsstruktur mit Ärzten im Allgemeinen und Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie, Fachärzten für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie Fachärzten für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie im Besonderen erfolgen kann.

    Die im Entwurf als Standard angelegte Zersplitterung der somatischen und psychischen Behandlungskompetenz widerspricht in meinen Augen der Erwartung unserer Patienten nach einer adäquaten, ganzheitlichen Versorgung. Zudem sieht der Referentenentwurf eine Regelung vor, nach der die zuständigen Landesbehörden Modellstudiengänge zulassen können, in denen die neuen Psychotherapeuten auch auf das Verordnen von Psychopharmaka vorbereitet werden. Dieser Ansatz ist im Sinne der Patientensicherheit ebenfalls unvertretbar. Jede Pharmakotherapie ist eine hochkomplexe Form der Heilbehandlung, die besondere und umfassende Kenntnisse der medizinischen Grundlagen und der Anwendungspraxis erfordert und stets in die Hand von Ärztinnen und Ärzte gehört.

    Anstatt die Kooperation zwischen den unterschiedlichen Berufsgruppen zu fördern und auszubauen, anstatt uns Ärztinnen und Ärzte über mehr Personal und eine Entbürokratisierung die zeitlichen Ressourcen für mehr sprechende Medizin zur Verfügung zu stellen, kommt man programmatisch auf die Idee, den kommunikativen und psychosozialen Bereich der Patientenversorgung auf neudeutsch „out-zu-sourcen“ und nicht nur einen neuen Beruf, sondern auch eine neue Versorgungsebene zu etablieren. Die mühevoll erreichte Errungenschaft, auch im kranken Menschen die Einheit von Körper, Geist und Seele zu sehen, bleibt auf der Strecke. Das ist weder im Interesse unserer Patienten noch ist es mit unserem eigenen Anspruch auf eine ganzheitliche Versorgung unserer Patienten in Einklang zu bringen.

    Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein