• Nach der Einigung ist vor der Einigung

    Kommentar des ersten Vorsitzenden Dr. med. Hans-Albert Gehle zur weiteren Umsetzung des TV-Ärzte/VKA
    09.Oktober 2019
    Höhere Gehälter und bessere Arbeitsbedingungen – das Engagement vieler Tausend Klinikärztinnen und -ärzte in diesem Frühjahr hat sich endlich gelohnt: Nach langem Hin und Her sind die Redaktionsverhandlungen mit der VKA abgeschlossen. Die gut 10.000 Ärztinnen und Ärzte in den kommunalen Krankenhäusern in NRW und RLP dürfen sich nun über eine baldige Nachzahlung bei ihren Gehältern freuen. Noch wertvoller sind aber die ebenfalls vereinbarten neuen Grenzen bei freien Wochenenden, die Begrenzung der Bereitschaftsdienste, die verlässliche Dienstplanung und vor allem – die manipulationsfreie Arbeitszeiterfassung! Die stellt eine echte Zäsur dar! In den kommunalen Krankenhäusern beginnt nun die Phase der Umsetzung der vereinbarten Reglungen. Ich bin mir sicher, die Umsetzung des Erreichten wird von uns allen in den nächsten Monaten besondere Anstrengungen erfordern. Und es wird vor Ort in den Häusern nicht ohne individuelles und gemeinsames Engagement der Ärzteschaft gehen. Es werden sich viele Fragen ergeben.

    Wir stehen allen MB-Mitgliedern mit unserer Rechtsabteilung beratend zur Seite. Wir werden unsere Mitglieder auch in diversen Veranstaltungen über die Umsetzung der neuen tariflichen Regelungen informieren und beraten. (25./26. Oktober in Kamp-Lintfort und am 13./14. Dezember in Mainz – Anmeldung für alle in unserer Geschäftsstelle.)

    Unser Tarifabschluss verweist zudem auch auf weitere neue Aufgaben. Wir haben vereinbart, noch in diesem Monat separate Tarifverhandlungen für Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst mit der VKA aufzunehmen. Das wird auch Zeit! Denn der ÖGD wird sonst zur arztfreien Zone. Unzählige Ärztinnen und Ärzte haben schon dem ÖGD den Rücken gekehrt. Wir wollen, dass ÖGD-Ärzte endlich tarifvertraglich geregelte Arbeitsbedingungen analog zum TV-Ärzte VKA erhalten und auch entsprechend entlohnt werden.

    Unser Tarifabschluss hat aber noch weiterreichende Folgen: Gerade in unserem Landesverband gibt es gut 300 Krankenhäuser in konfessioneller Trägerschaft. Wenn der Dritte Weg überhaupt eine Rechtfertigung haben will, dann muss damit Schluss sein, dass die Dienstgeber ihn immer wieder zu Lasten der Mitarbeiter missbrauchen. Das ist keineswegs fair. Wir fordern die vollständige Übernahme der TV-Ärzte/VKA, wir akzeptieren keine Abstriche!

    Die Arbeitsrechtliche Kommission Diakonie Deutschland hat bereits einen Grundsatzbeschluss gefasst, dass Tarifergebnis des Marburger Bundes für die kommunalen Kliniken zeit- und wirkungsgleich zu übernehmen. Hinsichtlich der Gehaltstabellen ist bereits die Übernahme der Steigerungssätze dieses Tarifabschlusses beschlossen.

    In der Caritas Bundeskommission stehen intensive Sitzungen noch bevor. Für die Regionalkommissionen des Deutschen Caritasverbandes gibt es daher gegenwärtig noch keine Ergebnisse. Schon unsere Forderungen nach Absenkungen der Gesamtarbeitslast wurden von den Dienstgebern ausgesprochen kritisch bewertet. Sollten die Dienstgeber am Ende nicht bereit sein, die Tarifeinigung mit der VKA vollständig auf die Caritas zu übertragen, wird zu prüfen sein, ob eine Beteiligung des Marburger Bundes an der kollektiven Form der Arbeitsrechtsfindung im Caritasverband überhaupt noch Sinn macht.

    Verdächtig klingen auch jüngste erste Äußerungen zu unseren weiteren Regelungen zum Bereitschaftsdienst, zur Dienstplanerstellung sowie zur Arbeitszeitdokumentation im TV-Ärzte/VKA: „Diese müssen auf die Strukturen unserer Einrichtungen angepasst werden“, heißt es im Dienstgeberbrief unverblümt. Damit werden wir uns nicht zufriedengeben! Ärztinnen und Ärzte in konfessionellen Krankenhäusern dürfen weder schlechter bezahlt werden noch schlechtere Arbeitsbedingungen haben. Dafür gibt es auch keinerlei sachlichen Grund, denn konfessionelle Kliniken finanzieren sich nicht anders als kommunale Kliniken!

    Aber warum ist es gerade jetzt wichtig, Arbeitszeit sicher zu dokumentieren? Wir wollen nicht nach der Stechuhr Menschen versorgen. Aber gerade dazu zwingt uns die Ökonomisierung der Medizin. Die Finanzierung allein aufgrund des DRG-Systems wird nicht überleben. Der Grundfehler dieses Systems aber sollte nicht wiederholt werden.

    Es ist Zeit, unsere erbrachten Stunden vollständig zu dokumentieren. Wir brauchen eine neue Finanzierung für unsere in der Versorgung tatsächlich erbrachte ärztliche Zeit. Das muss selbst Ökonomen einleuchten. Denn nur so bekommen wir das zurück, was wir wirklich brauchen: Zeit für die Versorgung unserer Patienten!