• Öffentlicher Gesundheitsdienst kann keine Ärzte mehr gewinnen

    Rudolf Henke: Seit 1995 verlor der ÖGD 35 Prozent seiner Ärzte / Ursache: Gravierende Gehaltsunterschiede
    19.März 2019
    Düsseldorf. Wenn es brennt, dann kommt die Feuerwehr, bei einem Wohnungseinbruch die Kriminalpolizei. Aber was passiert bei einem Masernausbruch? Spätestens dann sind Politiker und Bürger heilfroh, wenn es im örtlichen Gesundheitsamt genügend kundige Ärztinnen und Ärzte gibt, die wissen, wie ein solcher Ausbruch mit einer sogenannten Riegelungs-Impfung zeitnah und kompetent eingedämmt werden kann. Mit der Ausrufung eines Tages des Gesundheitsamtes am heutigen Dienstag, dem 19. März, rückt das Robert Koch-Institut als zentrale Einrichtung der Bundesregierung zur Krankheitsüberwachung und -prävention die so wichtige Tätigkeit der bundesweit 2.500 Ärztinnen und Ärzten im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) in den Fokus.

    Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein, freut sich über die Wertschätzung, die mit dem 1. Tag des Gesundheitsamtes heute und in den Folgejahren auch öffentlichkeitswirksam ausgedrückt werden soll: „Denn dass beispielsweise Menschen in psychischen Krisensituationen, Schwangere in Konfliktsituationen oder Jugendliche bei Schulabsentismus schnell eine Beratung erhalten und nicht durch das soziale Netz rutschen, liegt auch und gerade am Einsatz von Ärztinnen und Ärzten im ÖGD.“

    „Das Aufgabenspektrum der Kolleginnen und Kollegen im ÖGD umfasst weit mehr als die in der Öffentlichkeit wahrgenommene Bekämpfung von Ausbruchsgeschehen. Zum Aufgabenportfolio eines modernden ÖGD gehören Beratungs- und Unterstützungsangebote für Schwangere und Familien, darüber hinaus Kita- und Einschulungsuntersuchungen, Kontroll- und Überwachungsaufgaben im Bereich der Krankenhaus-, Umwelt- und Seuchenhygiene und die Mitwirkung an der Gesundheitsberichterstattung und der Beratung politischer Entscheidungsträger in Kommune, Land und Bund“, sagte Henke weiter.

    Der Kammerpräsident bedauert, dass sich die wachsenden Aufgaben des ÖGD nicht in seiner personellen Ausstattung widerspiegeln. „Seit 1995 ist die Zahl der Kolleginnen und Kollegen im ÖGD um 1.200 oder 35 Prozent auf noch rund 2.500 zurückgegangen“, so Henke. Hauptgrund sei die im Vergleich deutlich geringere Vergütung: Kollegen an Kliniken erhalten monatlich 1.000 bis 1.500 Euro mehr brutto. Henke: „Realität ist auch, dass Kollegen, die aus der Klinik ins Gesundheitsamt wechseln möchten, vielerorts auf das Gehaltsniveau eines Berufsanfängers zurückgestuft werden. Deshalb können aktuell zahlreiche freie Arztstellen im ÖGD nicht besetzt werden.“

    Henke hofft, dass der Gedenktag mit zu einem Umdenken der kommunalen Arbeitgeber beiträgt. „Denn eine ausreichende Finanzierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes zahlt sich für Städte und Kreise doppelt aus. Sie dient der Gesundheit der Bevölkerung und schafft Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand. Voraussetzung ist die verantwortliche Leitung durch aus- und weitergebildete Ärztinnen und Ärzte.“

    Hintergrund: Mit der Wahl des 19. März als Tag des Gesundheitsamtes erinnert das Robert Koch-Institut an den Arzt Johann Peter Frank, der an diesem Tag im Jahr 1745 geboren wurde und mit seinen Abhandlungen zur „medizinischen Polizey“ als Wegbereiter der Sozialmedizin und des Öffentlichen Gesundheitswesens gilt. Frank setzte sich Zeit seines Lebens dafür ein, dass durch staatliche Bereitstellung angemessener Wohnverhältnisse sowie durch eine sorgfältige Aufbereitung des Trinkwassers Infektionskrankheiten von der Bevölkerung abgewendet werden. Hierfür seien Ärzte unerlässlich, „denn nur mit deren Hilfe könnten sie in ihren Territorien eine nicht mehr nur bei Seuchen hastig zusammengerufene, sondern permanente und staatliche Gesundheitsverwaltung installieren“.