• Pflegekammer NRW weckt hohe Erwartungen

    Aktueller Kommentar des ersten MB-Landesverbands-Vorsitzenden Dr. med. Hans-Albert Gehle
    10.Dezember 2019
    Die nordrhein-westfälische Landesregierung will noch vor dem Jahresende den Entwurf zum Pflegekammergesetz in den Landtag einbringen. Im Jahr 2020 soll in NRW eine Pflegekammer gegründet werden, die zweifelsohne eine beachtliche Größe erreichen wird. Mit geschätzten 185.000 Kammermitgliedern wird in NRW gerechnet, die neue Pflegekammer NRW wird unsere beiden Ärztekammern bei der Mitgliederzahl deutlich übertreffen. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hat von Beginn an betont, dass er mit der Errichtung einer Pflegekammer in NRW ein klares Signal an die Beschäftigten in der Pflege geben möchte: Der Stellenwert und die Interessen des Pflegeberufs in unserem Gesundheitssystem sollen deutlich gestärkt werden. Wir dürfen gespannt sein, ob die hohen Erwartungen, die die Pflegenden in ihrem Arbeitsalltag selber haben, sich tatsächlich so erfüllen lassen.

    Zu den Aufgaben einer Pflegekammer gehören die Entwicklung einer Berufsordnung, die Festlegung von Qualitätsrichtlinien sowie die berufliche Fort- und Weiterbildung. Perspektivisch sollen der Pflegekammer in NRW auch Aufgaben zur Ausbildung in den Pflegeberufen übertragen werden. Angesichts der Einführung des neuen Pflegeberufegesetzes zum 1. Januar 2020 und der damit verbundenen Umsetzung der generalistischen Pflegeausbildung kommen auf die Pflegeschulen umfangreiche Herausforderungen zu. In einer solchen Situation wäre eine etablierte Pflegekammer in NRW sicherlich schon von großem Nutzen.

    Eine Pflegekammer wird es den Pflegefachkräften ermöglichen, einen Teil ihrer Angelegenheiten selbst zu regeln und an Entscheidungen mitzuwirken, die sie betreffen. Pflegekräfte aus den verschiedenen Beschäftigungsfeldern können ihre berufliche Expertise einbringen. Sie gehören deshalb in NRW – so sieht es jedenfalls Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann – in die Landesgesundheitskonferenz oder den Landesausschuss für Krankenhausplanung. Gut für die Pflege. Wir als Ärzte sind uns sicher, starke Kammern sind sehr wichtig. Gerade wir als Marburger Bund engagieren uns zu Recht dort. Aber, wir sind auch eine starke Gewerkschaft für Ärzte, weil Kammer alleine eben nicht ausreicht. 

    Es ist eine Aufgabe der Politik, die Pflegeberufe zu stärken, indem sie diese wieder attraktiver macht, in dem sie die Rahmenbedingungen der Beschäftigten im Krankenhaus verbessert. Höhere Freibeträge für Gesundheitsberufe, Höchstgrenzen für Wochenenddienste, mehr Zuschläge für die familienunfreundliche Arbeit in den Nächten oder an Wochenenden wären zielführend, auch für die Pflegekräfte.

    Wir erleben gerade in den Krankenhäusern einen gravierenden Mangel an Pflegekräften, der sich stetig weiter verschärft. Private Pflegefirmen werben massiv Pflegekräfte ab. Pflege geht den Kliniken verloren. Bessere Arbeitsbedingungen, planbarere Arbeitszeiten, höhere Nettoverdienste locken Pflegekräfte aus der Festanstellung im Krankenhaus. Kommt uns das nicht bestens bekannt vor? 

    Ich wage eine Prognose: Die Errichtung einer Pflegekammer wird an der zu hohen Gesamtarbeitsbelastung, an den niedrigeren Gehältern der Pflegekräfte, dem seit vielen Jahren unübersehbaren Mangel an Pflegekräften und an dem Phänomen der privaten Arbeitszeitreform wenig ändern.

    Niemand sollte sich deshalb täuschen lassen oder falsche Erwartungen aufbauen. Bessere Arbeitsbedingungen, höhere Gehälter und dadurch weniger offene Pflegestellen machen den Beruf zweifelfrei attraktiver. Aber das zu erreichen, das sind klare Aufgaben für eine Gewerkschaft. Wie lässt sich das Dilemma lösen? Sicher nicht allein mit einer neuen Pflegekammer.