• Pharmakotherapie gehört ausschließlich in ärztliche Hände

    Ärztekammer Nordrhein
    28.Dezember 2017
    Düsseldorf
    mhe. Seit vielen Jahren herrscht in den Krankenhäusern ein eklatanter Personalmangel, an wirksamen Strategien zur Lösung des Problems mangelt es dennoch bis heute. Die Lage ist besorgniserregend: „Der Markt an qualifizierten Fachärzten und Pflegekräften ist leergefegt. Als eines der reichsten Länder der Welt ist Deutschland nicht bereit, in die Ausbildung von dringend gesuchtem Personal zu investieren und das vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft“, bilanziert der nordrheinische Kammerpräsident Rudolf Henke.

    „Von Krankenhauskonzernen gesandte Agenturen werben im Ausland um Fachärzte. Fakt ist, wir ziehen Fachpersonal aus vielen osteuropäischen Ländern ab und schwächen dort die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung“, sagte Rudolf Henke in der jüngsten Kammerversammlung. Er legte ein Forderungspaket an die Politik vor, um den Personalmangel in den Griff zu bekommen.

    „Wir halten es für dringend erforderlich, dass die Politik schnell - und ich meine wirklich schnell – die Voraussetzungen schafft, an allen deutschen Hochschulen die Zahl der Medizinstudienplätze um mindestens zehn Prozent zu erhöhen. „Es ist Aufgabe der Politik, eine neue Methode zur Berechnung geeigneter Kapazitäten zu entwickeln, die sowohl versorgungspolitische Engpässe als auch das Grundrecht der Bewerber auf freie Berufswahl berücksichtigt.“ Löblich sei die Steigerung der Klinikinvestitionen in NRW und die Errichtung einer neuen Medizinischen Fakultät in Bielefeld.

    Eine sinnvolle Maßnahme zur langfristigen Behebung des Nachwuchsmangels sei die rasche Umsetzung des Masterplans 2020: „Dazu gehört aber seine Ausfinanzierung!“ Henke forderte zugleich die Abkehr von der Landarztquote. „Effektiver scheint uns ein Mix aus Maßnahmen, zu dem auch mehr Lehrstühle und mehr Studienplätze für die Allgemeinmedizin gehören, eine Stärkung der ambulanten Weiterbildung sowie finanzielle Förderprogramme zur Niederlassung auf dem Land.“

    Zur Bekämpfung des Ärztemangels zähle auch die bedarfsgerechte Finanzierung der Krankenhäuser. „Die Länder müssen endlich ihren investiven Pflichten nachkommen“, unterstrich Rudolf Henke. Ebenfalls müsse die jährliche Preisfindung die volle Refinanzierung der Tariflohnsteigerungen ermöglichen. Und bei der Neustrukturierung der Notfallversorgung müssten mit Augenmaß die tatsächlichen Versorgungserfordernisse berücksichtigt werden. „Ziel muss sein, die Notaufnahmen in den Kliniken zu entlasten.“

    Es sei nicht zielführend, ergänzte Rudolf Henke, dem Ärztemangel damit zu begegnen, ureigene ärztliche Tätigkeiten auf andere Berufsgruppen zu übertragen. „Um das klar zu sagen: Uns ist die Zusammenarbeit mit anderen akademischen Heilberufen und Gesundheitsfachberufen wichtig. Zur Zusammenarbeit gehört aber auch, die jeweils erworbenen Kompetenzen anderer sowie auch deren Grenzen anzuerkennen.“

    Der Kammerpräsident kritisierte an dieser Stelle Inhaltes aus dem Entwurf zur Neuordnung des Psychotherapeutengesetzes. Ein geplanter Modellstudiengang, in dem die neuen Psychotherapeuten auch Psychopharmaka verordnen können, sei eine weite Überschreitung von Grenzen. „Jede Pharmakotherapie ist eine hochkomplexe Form, der Heilbehandlung, die besondere und umfassende Kenntnisse der medizinischen Grundlagen und der Anwendungspraxis erfordert und ausschließlich in die Hand von Ärztinnen und Ärzten gehört.“

    Besondere Erwähnung fand auch die Entwicklung der medizinischen Versorgungsbedürfnisse und der Arztzahlen: „Unsere Gesellschaft altert und wir Ärztinnen und Ärzte altern mit. In den Krankenhäusern sind über 5.000 Arztstellen nicht besetzbar. Fast jeder vierte Niedergelassene plant, in den nächsten fünf Jahren aus Altersgründen seine Praxis aufzugeben. Im Öffentlichen Gesundheitsdienst geht in den kommenden zehn Jahren jeder zweite Arzt in Rente.

    Laut KBV sind auf dem Land 2.600 Hausarztpraxen und 2.000 Facharzt-Praxen nicht zu besetzen.“ Bis zum Jahr 2030 werden 30.000 offene Arztstellen prognostiziert. „Ich glaube, dass die alternde Gesellschaft und die zunehmende Digitalisierung dazu beitragen werden, dass der ärztliche Beruf in Zukunft noch mehr gefragt sein wird als heute. Daher ist es wichtig, dass wir unsere medizinische Versorgung so aufstellen, dass sie den aktuellen Herausforderungen einer Gesellschaft des langen Lebens entspricht.“