• „Planung und Finanzierung müssen eigentlich synchronisiert werden“

    Hauptversammlung 2022 in Köln I - Hochkarätige Vorträge zum Problemfeld „Zentren und neuer Krankenhausplan“
    25.September 2022
    Köln (mhe). Sind medizinische Zentren mit dem neuen Krankenhausplan in NRW vereinbar? Mit dieser Fragestellung befasste sich die Hauptversammlung des Marburger Bundes NRW/RLP, die als Hybrid-Sitzung am vorigen Wochenende in Köln durchgeführt wurde. Drei Referenten beleuchteten das Thema. Die Problematik beginnt schon mit der Schwierigkeit der Definition des Begriffs „Zentren“. „Dürfen zwei Hausärzte ihre Gemeinschaftspraxis „Hausarztzentrum“ benennen?“, fragte Dr. med. Markus Wenning, Geschäftsführender Arzt der Ärztekammer Westfalen-Lippe als erster Referent. Um es gleich klarzustellen, sie dürfen es, denn man braucht nur zwei Ärztinnen oder Ärzte.

    Mitunter habe man den Eindruck, wer kein Zentrum bildet, der leiste keine Qualität. „Der nicht geschützte Begriff des Zentrums hat einiges mit Marketing zu tun", erklärte Markus Wenning weiter. Er verwies auf die seit 2014 gegründeten Brustzentren in NRW, die alleine im Jahr 2018 fast 16.000 Primäreingriffe durchführten. Es mache durchaus Sinn ein zusätzliches Angebot der medizinischen Versorgung zu schaffen, alle beteiligten Fachärzte in Zentren zusammenzuziehen und die medizinischen Angebote mit patientenbezogenen Konzepten zu erweitern.

    Das Bundesverwaltungsgericht habe 2014 geurteilt, dass „spezielle Behandlungsleistungen, die so nur bei den Zentren oder Schwerpunkten anfallen und sich deshalb einer Vergütung über übliche Entgelte entziehen“. Wenning: „Früher erhielten Brustzentren pro Fall 900 Euro. Das ist heute nicht mehr so.“

    Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) habe mittlerweile Qualitätsanforderungen an Zentren gestellt, die kaum erreichbar seien. „Wer kann das denn erfüllen? Bedauerlicherweise ist die Finanzierungsgrundlage durch die hohen G-BA-Vorgaben entfallen.“ Nach der Neuregelung durch den G-BA haben alle Brustzentren einen gemeinsamen Brief an den Bundesgesundheitsminister gesendet.

    Ziel der Entwicklung sei, grundsätzlich mehr Operationen an wenigen Standorten durchzuführen, statt weniger OP´s an vielen Standorten. Problematisch sei aber, dass die Planung der Versorgungsangebote Ländersache sei, die Finanzierung jedoch Bundessache. Der neue Krankenhausplan in NRW sehe Zentrenbildung durchaus vor, jedoch stünden sie weiterhin im Spannungsfeld mit der Finanzierung durch die strikten G-BA-Vorgaben.

    In einem vorbildlich strukturierten zweiten Vortrag hat Dr. Simon Loeser, AOK Rheinland/Hamburg, die Irrwege der Krankenhausplanung der letzten Jahre beleuchtet. Es sei „katastrophal“, was da vom Gesetzgeber gekommen sei.

    Loeser skizzierte die „Trends“ der Krankenhausfinanzierung seit dem Jahr 2000 – aus seiner Sicht alles „Irrwege“: So folgten nach dem Irrweg der Wettbewerbshörigkeit 2013 der Irrweg der Qualitätseuphorie, 2017 der Irrweg des Personaldirigismus, 2020 der Irrweg des Garantiebudgets und sei diesem Jahr der Irrweg des Zentralismus.

    Das Grundproblem ist laut Loeser, „dass Planung und Finanzierung eigentlich synchronisiert werden müssen. Man kann das eine nicht anpacken, ohne das andere auch anzugehen."

    Es sei nicht klug, dass alle Kliniken alles machten. „Wir können aber nicht Neustarten.“ Loeser ist sich sicher, dass bei der Umsetzung des Krankenhausplans in NRW auch Kollateraleffekte geben wird. „Der ein oder andere Klinikstandort wird schließen müssen.“ Schließungen von Kliniken sei aber gar kein Ziel der Kostenträger, versicherte Loeser. „Wir stehen gemeinsam in der Kostenträgerverantwortung. Schließungen sind aber die wahrscheinliche Folge der von den Kostenträgern intendierten Leistungskonzentration.“

    Maßgeblich sei nicht die quantitative, sondern die strukturelle Überversorgung.“ Im Koalitionsvertrag von CDU und Grünen vom 22. Juli 2022 kommen die Worte “Krankenhausplan“ oder „Krankenhausrahmenplan“ sieben Mal vor. Auch wolle die NRW-Landesregierung bis 2027 erhebliche Summen in die Umsetzung des Krankenhausplans investieren, verwies Loeser abschließend auf die Absichtserklärung der Koalitionäre.

    „Wir sehen, was zurzeit passiert. Wir sind aber völlig anderer Meinung“, eröffnete Dr. med. Günther Matheis, Vizepräsident der Bundesärztekammer, seinen abschließenden Vortrag. „Der Begriff Zentrum ist nicht geschützt. Das macht es uns so schwer.“

    „Ziel der Zentrenbildung ist doch die Schaffung eines Mehrwertes gegenüber der konventionellen Versorgung. Die Patienten gehen dahin, wo die Expertise erbracht wird. Es ist eine Absurdität, dass die Kostenträger das nicht bezahlen. Nur noch G-BA ausgewiesene Leistungen werden finanziert“, kritisierte Dr. med. Günther Matheis vehement.

    „Sehr hohe Anforderungen dürften zu einer eklatanten Reduzierung der Versorgung führen. Wie hoch die G-BA-Hürden seien, belege etwa der Blick auf die Herzzentren in NRW. Da gibt es für 18 Millionen Bürger in NRW nur noch das HDZ in Bad Oeynhausen. In Rheinland-Pfalz fallen alle Herzzentren durch das Raster. Bundesweit bleiben nur fünf bis sieben von insgesamt 70 Herzzentren“, bemängelte Dr. med. Günther Matheis weiter.

    „Aus unserer Sicht ist diese Entwicklung ein Mentekel, für das, was uns erwartet, falls immer mehr Steuerungskompetenz auf die Bundesebene verschoben werden sollte.“

    Es sei nicht akzeptabel, dass die Bundesärztekammer nicht im G-BA vertreten sei. „Unser Dilemma ist, wenn die Politik von Selbstverwaltung redet, meint sie nicht uns. In dieser Welt spielen wir leider keine Rolle mehr. Das muss ich ändern! Wir erarbeiten unzählige, fachlich sehr gute Stellungnahmen, aber wir haben bei den G-BA-Sitzungen max. drei Minuten Zeit, um unsere Expertise online vorzutragen. Wir brauchen Sitz und Stimme im G-BA. Lassen Sie uns dafür kämpfen.“

    Einig waren sich alle drei Referenten in einer nachfolgenden spannenden Diskussion, dass ein Neustart der stationären Versorgung wir in Dänemark nicht auf Deutschland übertragen werden könne. In Dänemark ist der Staat Träger aller Kliniken, die auf wenige zentrale Standorte gebündelt wurden. Wir haben dagegen eine über viele Jahrzehnte herausgebildete Kliniklandschaft mit einer vielfältigen Trägerstruktur, auf der wir aufbauen können. Aber, ohnehin fehlt uns die erforderliche Investitionskraft für einen solchen Neustart.“