• Politiker und Landesärztekammer Rheinland-Pfalz fordern Reform des Paragraphen 219a

    Urteil des Landgerichtes Gießen zu Frauenärztin
    14.Oktober 2018
    Gießen
    Angesichts der Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils gegen eine Frauenärztin aus Gießen, die auf ihrer Internetseite über Möglichkeiten von Schwangerschaftsabbrüchen informierte, fordert Anja Butschkau, die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Landtag NRW, eine Reform des Paragrafen 219a. „Das Urteil bestätigt, dass wir dringend eine Reform des Paragrafen 219a brauchen. Der Paragraf 219a steht im Widerspruch zu unseren heutigen Vorstellungen von Informationsfreiheit, Selbstbestimmung und freier Ärztewahl. Frauen, die in einer Notsituation sind, brauchen kompetente Beratung und den Zugang zu Informationen, damit sie sich verantwortungsvoll für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden können. Jeder Arzt und jede Ärztin muss über einen Eingriff sachlich informieren dürfen, ohne sich der Gefahr der Strafverfolgung auszusetzen.

    Die Landesregierung wird aufgefordert, sich der Bundesratsinitiative von Berlin, Hamburg, Thüringen, Bremen und Brandenburg anzuschließen. Diese fordert eine Streichung des Paragrafen 219a, da bereits das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb und die Berufsordnung der Ärztinnen und Ärzte unlautere Werbung untersagen.

    Es sei an dieser Stelle an die Stellungnahmen der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz und des 121. Deutschen Ärztetages in Erfurt erinnert. „Eine Arztpraxis oder eine andere ärztliche Einrichtung muss sachlich über das eigene Leistungsspektrum auch in Bezug auf die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen informieren dürfen. Deshalb sollte Paragraph 219a des Strafgesetzbuches geändert werden, so entschied jüngst die Vertreterversammlung der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz.

    „Es muss möglich sein dürfen, betroffenen Frauen in schwierigen persönlichen Situationen sachgerechte Informationen zu geben“, betonte Landesärztekammer-Präsident Dr. Günther Matheis. Hierzu zählt nach Meinung der Landesärztekammer auch, dass Adressen von Ärztinnen und Ärzten, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, sachlich und informativ veröffentlicht werden dürfen – auch auf den eigenen Internetseiten. Dies ist aber nach der derzeitigen Regelung strafbar.

    Schon der 121. Deutsche Ärztetag hatte im Mai 2018 eine Stärkung der neutralen Information, der individuellen Beratung und der Hilfeleistung für Frauen in Konfliktsituationen gefordert. Ärztinnen und Ärzte in Praxen und Kliniken benötigten Rahmenbedingungen, die es ihnen ermöglichen, sich Zeit für die individuelle Beratung ratsuchender Frauen zu nehmen, heißt es in der mit der großer Mehrheit angenommen Entschließung.

    Darüber hinaus seien die in Deutschland entwickelten Strukturen mit qualifizierten Beratungsstellen und Hilfsangeboten weiter zu fördern und wo erforderlich auszubauen. Der Entscheidung der Frau über den Abbruch müsse eine ergebnisoffene und unabhängige Beratung vorausgehen, die von geeigneten Hilfsangeboten begleitet werde, so der Ärztetag.

    Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) stellt im Internet umfangreiche Informationen zum Thema Schwangerschaftskonflikt und Schwangerschaftsabbruch bereit und vermittelt über eine Datenbank mit regionaler Suchfunktion zu den anerkannten Beratungsstellen. Diese Angebote seien kontinuierlich weiterzuentwickeln und noch stärker bekannt zu machen, forderten die Abgeordneten.

    Gemäß § 5 des SchKG haben die Länder ein ausreichendes plurales Angebot wohnortnaher Beratungsstellen sicherzustellen. Die flächendeckende Bereitstellung qualifizierter Beratungs-, aber auch Hilfsangebote für Frauen in Schwangerschaftskonfliktsituationen sei Kennzeichen einer humanen Gesellschaft, so der Ärztetag. Dazu gehöre eine gute personelle wie finanzielle Ausstattung dieser Angebote.

    Der Deutsche Ärztetag hat sich gegen eine Streichung oder Einschränkung des in § 219a kodifizierten Werbeverbotes für Abtreibungen ausgesprochen, mahnt aber maßvolle Änderungen an, damit sichergestellt wird, dass Ärztinnen und Ärzte, die innerhalb dieses Rahmens über ihre Bereitschaft informieren, gesetzlich zulässige Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen, nicht bestraft werden.