• SORMAS – eine enorme Herausforderung und Mehrbelastung

    Digitalisierung der Gesundheitsämter / Landkreistag und Gesundheitsämter sehen neue Software kritisch / Kein Wundermittel der Kontaktnachverfolgung
    07.März 2021
    Köln/Düsseldorf (mhe). Gut gemeint, bedeutet nicht gleichzeitig auch gut gemacht: Die Ankündigung zweier NRW-Ministerien, den 53 Gesundheitsämtern im Landesgebiet die neue Software SORMAS zur Verfügung zu stellen, um damit einen schnelleren digitalen Austausch zu ermöglichen, erntete nicht nur in der Politik reichlich Kritik. Die bis Ende Februar angestrebte Einführung einer deutschlandweit einheitlichen Software zur Corona-Kontaktnachverfolgung stieß vor allem bei den Gesundheitsämtern auf ausgesprochen verhaltene Resonanz. Die vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung entwickelte Software wird dagegen gerne als „Wundermittel“ der Kontaktnachverfolgung angepriesen, die angeblich den Austausch unter den Behörden erleichtern soll.

    Mit dem neuen IT-System „Sormas“ sei die angepeilte Entlastung der Gesundheitsämter „von unnötigem Aufwand“ nicht zu erreichen, betonte der Deutsche Landkreistag unzweideutig. Der kommunale Spitzenverband der gut 300 Landkreise übte in einem Brief an Gesundheitsminister Jens Spahn unmissverständliche Kritik: „Wir halten das Ziel einer flächendeckenden Einführung deshalb weder für erstrebenswert, noch derzeit erreichbar.“

    Eine digitale Kontaktnachverfolgung ist wichtig, keine Frage. Aber die meisten Landkreise nutzen seit Jahren andere Programme, die sämtliche Aufgaben eines Gesundheitsamtes abbilden – nicht nur die Kontaktnachverfolgung“, äußerte sich der Landrat Reinhard Sager, er ist Präsident des Deutschen Landkreistages. Mitten in der Pandemie auf eine andere Software umzusteigen, birge Risiken, Schulungsaufwand und möglichen Datenverlusten. „Das wäre unvernünftig.“

    Der Landkreistag berichtete ferner, dass deutschlandweit nur 80 Gesundheitsämter das System nutzen. In Nordrhein-Westfalen seien es nur die sechs Städte und Kreise Krefeld, Mönchengladbach, die Kreise Warendorf und Coesfeld, der Rhein-Kreis Neuss und der Rhein-Sieg-Kreis.

    Aus dem Kreis der Praktiker ist noch konkreter zu hören, dass SORMAS nicht die komplette digitale Verarbeitung ermöglicht, nicht binnen 48 Stunden einsatzbereit sei, die Prozesse und Auswertung weniger individuell und zielgerichtet als bisherige Datenbänke in den Ämtern abbilde, mittelfristig nicht zu einer Reduzierung des Personals führen werde und einen „miserablen Support“ habe. Es gebe schlicht keine verlässlichen Auskünfte.

    Es sei zudem eine falsche Annahme, dass Gesundheitsämter keine digitalen Instrumente hätten. Vorhandene Systeme seien vielmehr besser als SORMAS in seiner jetzigen Form. Mit SORMAS könnten Labormeldungen bisher nicht digital empfangen und auch nicht an das RKI weitergemeldet werden. Ämter, die sich für die neue Software entschieden, müssten im laufenden Betrieb ihre Daten aufwändig von ihrem bisherigen System in SORMAS verlagern. Der Start verlaufe keineswegs reibungslos. SORMAS bedeutet eine enorme Herausforderung und Mehrbelastung.