• Unnötige Konkurrenz

    Wie sollen denn Apotheker Patienten, die orale Krebsmedikamente einnehmen, qualifiziert beraten und betreuen?
    28.Juni 2022
    Pharmazeutische Dienstleistungen – dieses Stichwort geht seit kurzem wieder durch die ärztliche Fachpresse. Was verbirgt sich dahinter? Der frühere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat Ende 2020 das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken initiiert, als Reaktion auf die zunehmende Marktmacht der Versandapotheken. Nach der Erlaubnis zum Impfen gegen Grippe und Corona soll der akademische Heilberuf des Apothekers eine weitere konjunkturelle Spritze erhalten. Das Gesetz hat meines Erachtens eine völlig unnötige und auch schädliche Konkurrenz zwischen Apothekern und Ärzten ausgelöst, die niemand gewollt hat, auch die Apotheker selber nicht. Wie kam es dazu?

    Nachdem sich der Deutsche Apothekerverband und GKV-Spitzenverband über mehrere Monate nicht einigen konnten, erfolgte Mitte Juni eine Einigung vor der Schiedsstelle. Demzufolge sollen Menschen pharmazeutische Dienstleistungen in Apotheken in Anspruch nehmen können, die

    • fünf oder mehr verordnete Arzneimittel einnehmen.
    • gegen eine Krebserkrankung neue Tabletten oder Kapseln erhalten (orale Antitumortherapie).
    • nach einer Organtransplantation neue Medikamente verordnet bekommen, um die körpereigene Abstoßungsreaktion zu hemmen (Immunsuppressiva).
    • einen ärztlich diagnostizierten Bluthochdruck haben und Blutdrucksenker einnehmen.
    • gegen eine Atemwegserkrankung Medikamente zum Inhalieren erhalten.

    Bereits im September 2020 hatten die Bundesärztekammer und Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft in einer gemeinsamen Stellungnahme diese Regelung zur Einführung zusätzlicher honorierter pharmazeutischer Dienstleistungen abgelehnt und die Streichung gefordert. Meiner Meinung nach greift das Ergebnis des Schiedsspruchs in unsere ärztliche Tätigkeit ein. Das können wir nicht akzeptieren.

    Wer ist wofür zuständig? Wir müssen nur ins Heilpraktikergesetz schauen. Das regelt die Ausübung der Heilkunde als Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden nur durch bestellte Ärztinnen und Ärzte oder andere, die dazu eine gesonderte Erlaubnis erhalten haben. Apothekerinnen und Apotheker gehören nicht dazu!

    Wenn sich an dieser klaren Regelung der Zuständigkeiten etwas ändern soll, fordere ich zuerst die Apotheker und ihrer Berufsvertretung auf: Stimmt Euch vom ersten Moment an mit uns Ärzten ab, setzt Euch mit uns zusammen und macht keine neue Versorgungsebene neben der ärztlichen auf, für die Ihr nicht qualifiziert seid! Dafür benötigt man natürlich schon frühzeitig seitens der Apotheker die nötige Gesprächsbereitschaft.

    Ich bin davon und bleibe fest überzeugt, dass wir Ärztinnen und Ärzte die Heilkunde am Menschen ausüben, nicht die Apothekerinnen und Apotheker. Wir sind für Diagnostik und Therapie zuständig und auch qualifiziert, nicht aber die Apotheker. Wie sollen denn Apotheker Patienten, die orale Krebsmedikamente einnehmen, qualifiziert beraten und betreuen? Medikamente, die hochspezialisierte ärztliche Kollegen verordnet haben!

    Sollen Apotheker beim Hinweis auf vermeintliche Neben- oder Wechselwirkungen jedes Mal Alarm schlagen? Das wäre ja keine Entlastung für uns, unsere Patienten kämen naturgemäß mit einem neuen Beratungsbedarf völlig verunsichert zu uns in die Praxen und Kliniken. Das wäre keine Verbesserung der Versorgungsqualität. Um nicht missverstanden zu werden: Wir Ärztinnen und Ärzte sind für Arzneimitteltherapiesicherheit, wir wollen mit den Apothekern auch konstruktiv in der Patientenversorgung zusammenwirken – jeder mit seiner Zuständigkeit.

    So wäre es sinnvoll, wenn Apotheker unerwünschte Nebenwirkungen aufdecken, indem Sie im Gespräch mit Patienten die von allen behandelnden Ärzten verordneten oder vom Patienten frei eingenommenen Medikamente prüften. Meine Forderung an die Politik, die mit diesem Gesetz der Patientenversorgung mehr schadet als nützt, lautet: Lasst uns Ärzte bitte einfach unsere Arbeit machen! Wenn wir andere Gesundheitsberufe in die Versorgung der Patienten einbeziehen möchten und das im Wege der Delegation und professionsübergreifenden Zusammenarbeit für richtig halten, dann regeln wir das schon selber!