• Unser Fragenkatalog zum politischen Neuanfang

    Kommentar des Vorsitzenden des Marburger Bundes NRW/RLP - Dr. med. Hans-Albert Gehle
    28.Oktober 2021
    Der Regierungswechsel ist von vielen Bundesbürgern gewollt und auch erwartet worden. Nach der Bundestagswahl und mit Beginn der Koalitionsverhandlungen stellen wir Ärztinnen und Ärzte uns natürlich zahllose Fragen, inwiefern sich in unserem beruflichen Alltag in den nächsten fünf Jahren endlich positive Veränderungen ergeben werden. Welche unserer Hoffnungen werden erfüllt? Artikulieren wir unseren Fragen-Katalog.

    Werteorientierung statt Kommerzialisierung:
    Erleben wir alsbald eine weniger wettbewerbliche Ausrichtung der medizinischen Versorgung? Dominieren unter einer neuen Regierung die medizinischen Entscheidungen und werden wir von den immer stärkeren kommerziellen Vorgaben befreit? Werden Gewinnmaximierung und Kostenminimierung nicht mehr das Maß aller Dinge sein? Werden die notwendigen Rahmenbedingungen für eine werteorientiere Medizin etabliert, in der wir Ärztinnen und Ärzte mehr Zeit für Patienten haben?

    Kooperation und Vernetzung über Sektorgrenzen:
    Wird es eine nur an dem tatsächlichen Bedarf orientierte, integrierte Versorgungsstruktur geben, in der die Patientenversorgung über die bisherigen Sektorengrenzen hinweg organisiert wird? Kommt endlich die sinnvolle Kooperation und Vernetzung zwischen Krankenhäusern und vertragsärztlichem Bereich, über die Politiker aller Couleur seit Jahrzehnten so oft schwadroniert haben? Kommen wir bei der Reform der Notfallversorgung weiter? Gibt es starke Impulse hin zu einer zeitgemäßen Digitalisierung?

    Auskömmliche Klinikinvestitionen:
    Wird der Bund künftig die gigantische finanzielle Lücke der Bundesländer bei der Refinanzierung der Klinikinvestitionen schließen? Werden die seit Jahrzehnten zu geringen Investitionen in Kliniken nun auskömmlich und vor allem dauerhaft aufgestockt? So, wie es in der Pandemie ja schon über Sonderförderprogramme des Bundes geschehen ist.

    Bekämpfung des Ärztemangels – mehr Studienplätze:
    Bleibt es nur bei Initiativen und Plänen gegen den Pflegenotstand? Erkennen die Politiker nun auch, dass Ärztinnen und Ärzte selten wie kostbare Diamanten sind? Werden die Ursachen und Folgen des Ärztemangels behoben? Werden die Studienplätze für Humanmedizin endlich wieder soweit aufgestockt, dass 2026 – zum Ende der nächsten Legislatur – eine reale Chance besteht, den Arztmangel zum Ende des Jahrzehnts beheben zu können?

    Diese letzte Frage wird wohl einer der entscheidendsten Punkte für uns sein. Nur, wenn mehr Ärztinnen und Ärzte ausgebildet werden, wird unsere Arbeitsbelastung sinken, wird genügend Zeit für Patienten da sein, wird unser Privatleben und Beruf akzeptabel vereinbar sein.

    Unsere Fragen verdeutlichen, dass die Probleme in unserem Gesundheitswesen von weitreichend Natur sind. Von noch größerer Tragweite werden die Lösungsvorschläge der bald regierenden drei Parteien sein. Fast alle haben über die Schwächen, die die Corona-Krise aufgedeckt hat, geklagt.

    Wir können in der Phase der Koalitionsgespräche nur mahnen und immer wieder auf die Mängel und Notwendigkeiten hinweisen. Klug und verantwortungsbewusst Handeln müssen am Ende die gewählten Bundestagsabgeordneten. Sie sollen wissen, für ein Weiter so gibt es keinen Anlass. Es ist höchste Zeit für Veränderungen. Die Beantwortung unserer Fragen hat eine hohe Dringlichkeit.