• „Wir dürfen die Seele unseres Berufes nicht auf dem Altar des Kommerzes opfern.“

    125. Deutscher Ärztetag - Eleonore Zergiebel übt deutliche Kritik an der Kommerzialisierung der Medizin
    02.November 2021
    Berlin (mhe). Mit deutlichen Worten kritisierte auf dem 125. Deutschen Ärztetag in Berlin unser Vorstandsmitglied Eleonore Zergiebel die fortschreitende Kommerzialisierung der Medizin. „Was ist aus unserer Solidargemeinschaft und unserer Daseinsvorsorge geworden? Finanzinvestoren und private, kommerzorientierte Klinikkonzerne machen Profite über Personaleinsparungen“, bilanzierte Zergiebel. „Unsere moralische Basis, nämlich das Wohl des Patienten als höchstes Gut zu betrachten, wird so zerstört. Profitstreben führt dazu, dass wir Ärztinnen und Ärzte nur noch die Arbeitsbienen für Finanzinvestoren sind und wir die Seele unseres Berufes auf dem Altar des Kommerzes opfern. Das müssen wir verhindern“, forderte Eleonore Zergiebel. Der 125. Deutsche Ärztetag schloss sich dieser Kritik und unserer Auffassung uneingeschränkt an. Das Plenum stimmte einstimmig den drei diesbezüglichen Beschlüssen zu, die wir bereits am 25. September auf unserer Landeshauptversammlung in Lahnstein verabschiedet hatten.

    Als besonders sensibel sieht das Plenum des 125. Deutschen Ärztetages das Vordringen von MVZ an. Deren Versorgungsauftrag müsse begrenzt werden, marktbeherrschende Stellungen müssen verhindert werden. Zudem müssten Gewinnabführungsverträge mit externen Kapitalgebern begrenzt werden. Auch sollen Register Transparenz über den Einfluss von Kapitalgebern auf MVZ geben.

    In unseren drei Beschlüssen, haben wir gefordert, dass bei Investitionen durch nicht-(zahn)ärztliche Träger in Medizinischen Versorgungszentren verhindert werden muss, dass frühzeitige Anteilsverkäufe zur Gewinnmaximierung dienen. Das bedeutet, dass jede Änderung der Gründerebene eines MVZ, welche mit Änderung des Investors einhergeht, dem Zulassungsausschuss gemeldet werden muss. Dazu müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen angepasst werden.

    Einer Monopolisierung der Versorgungslandschaft durch flächendeckende MVZ-Gründungen muss entgegengewirkt werden. Insbesondere die Möglichkeit, fachgleiche MVZ zu gründen, führt zu einer drohenden Monopolisierung. Prospektiv sollen hier nur fachübergreifende Strukturen genehmigt werden. Der Praxissitz soll an die Region gebunden sein. Es darf nicht möglich sein, dass angebunden an ein Krankenhaus im Norden der Republik fachgleiche MVZ in Metropolregionen im Westen und Süden angegliedert werden.

    Intransparente Leistungen im Reha-Bereich müssen überprüft werden. Die Übernahme von Kliniken, beispielsweise durch einen Immobilien-Investment-Trust, unterwirft medizinische Entscheidungen ausschließlich merkantilen Zwecken der Gewinnmaximierung.

    Im zweiten Beschluss haben wir den Bundesgesetzgeber aufgefordert, den Besitz von ärztlich geleiteten Einrichtungen der ambulanten Patientenversorgung unter Veränderung des vertragsärztlichen Zulassungsrechts auf Ärztinnen und Ärzte als persönliche Rechtsträger zu beschränken. Neben diesem Fremdbesitzverbot fordern wir das Verbot der überörtlichen Konzernbildung und das Verbot der überörtlichen Ausdehnung der Versorgung.

    Dies deshalb, weil Medizinische Versorgungszentren (MVZ), insbesondere in kapitalintensiven ambulanten medizinischen Versorgungsbereichen wie z.B.: Labormedizin, Radiologie, Dialyse, Augenheilkunde als lukrative Anlageobjekte begehrt sind.

    Im dritten Beschluss haben wir betont, dass Notfallkapazitäten keine Effizienzreserven sind, sondern Daseinsvorsorge ist. Die Versorgung von kritisch kranken Patienten muss oberste Priorität haben und darf nicht das wirtschaftliche Überleben der Krankenhäuser gefährden. Daher müssen Krankenhäuser für ihren Versorgungsauftrag entsprechende Notfallkapazitäten vorhalten und diese sind entsprechend zu finanzieren. Die Corona-Pandemie zeigt, wie elementar wichtig die Vorhaltung von Notfallkapazitäten – insbesondere auf den Intensivstationen – im Rahmen der Daseinsvorsorge ist.