• „Wir stellen uns strategisch anders auf!“

    Krankenhausstruktur
    12.Januar 2017
    Köln/St. Augustin
    mhe. Wie lange können sich die Bürger in einer Ära der chronischen Unterfinanzierung von Krankenhäusern in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz noch darauf verlassen, wohnortnah eine ausreichende stationäre medizinische Versorgung vorzufinden? Die Politik will einen Strukturwandel in der Kliniklandschaft, setzt dafür sogar fiskalische Anreize: defizitäre Kliniken sollen aus dem mit einer Milliarde Euro gefüllten Strukturfonds „Abwrackprämien“ erhalten, wenn sie schließen. Doch unabhängig davon treffen Kliniken mit einem Federstrich Entscheidungen über ihre medizinischen Angebote, die für Patienten weitreichende Folgen haben können.

    Wie sehr sich die vorhandene Versorgungslandschaft bereits im Wandel befindet, zeigt der Fall eines privaten Klinikträgers im Köln-Bonner Raum. Die Asklepios-Klinik Sankt Augustin will – wie jüngst bekannt wurde – ihr medizinisches Angebot reduzieren: Sechs Jahre nach der teuren Eröffnung ihrer neuen Geburtshilfestation will die Asklepios-Klinik diese wieder schließen und die Versorgung-Aufgabe anderen Kliniken – den Kliniken der Franziskanerinnen zu Olpe (GFO) - überlassen. Auch die Abteilung für Neonatologie soll in Sankt Augustin aufgegeben werden.

    Asklepios will nach eigenen Angaben künftig seine Kompetenzen am Standort Sankt Augustin in den Bereichen Pädiatrie, Orthopädie, Neurochirurgie, Kinder-, Kinderherz- und Thoraxchirurgie sowie Kinderkardiologie bündeln. Spezialsierung sei das Motto der Zukunft. In der Kinderklinik und dem Deutschen Kinderherzzentrum der Asklepios-Klinik Sankt Augustin sollen künftig Kinder behandelt werden, die in den Kliniken der GFO das Licht der Welt erblicken.

    Zur Erinnerung: Nachdem im Jahr 2010 die Siegburger Helios-Klinik ihre Entbindungsstation mit jährlich über 350 Geburten schloss, hatte Asklepios in Sankt Augustin gut drei Millionen Euro in drei Kreissäle und weitere Räumlichkeiten investiert. Seither zählte man dort pro Jahr gut 1.000 Entbindungen. Nun erfolgt dennoch das überraschende Aus. Warum? Die Schließungs-Nachricht kam selbst für die Asklepios-Mitarbeiter völlig überraschend.

    „Mit Wirtschaftlichkeit hat das nichts zu tun“, ist der Unternehmenssprecher Rune Hoffmann bemüht zu versichern. Man folge vielmehr dem politischen Ziel der Spezialisierung und Fokussierung im Krankenhauswesen. O-Ton Asklepios: „Wir stellen uns strategisch anders auf!“

    Die Entscheidung für die Verlagerung sei notwendig, betonte ergänzend Petra Hohmann, Sprecherin der Geschäftsführung der Asklepios Klinik Sankt Augustin, da man glaube, auf Dauer wegen der sehr angespannten Personalsituation eine ausreichende Versorgungsqualität nicht mehr anbieten zu können. Ab dem 1. Januar gilt bekanntlich ein neuer Personalschlüssel.

    Betriebsbedingte Kündigungen will der Klinik-Konzern vermeiden. Nach Überzeugung der Geschäftsführerin der Asklepios-Klinik Sankt Augustin, Kim Jericho, sei die Region Sankt Augustin in der Geburtsmedizin und Neonatologie sehr gut aufgestellt. Eltern müssten seiner Ansicht nach keine Unterversorgung befürchten.

    Bis Mitte 2017 soll die Geburtshilfe und die Neonatologie aus Sankt Augustin in die Kliniken der Franziskanerinnen zu Olpe (GFO) verlagert werden. Entbindungen sind künftig im rechtsrheinischen Rhein-Sieg nur noch in den GFO-Kliniken in Troisdorf, Sieglar und Bad Honnef möglich. GFO-Geschäftsführer Ingo Morell erklärte, dass seine Kliniken nicht in die Entscheidungsfindung der Asklepios-Klinik einbezogen wurde: „Man kam auf uns zu, als die Entscheidung schon getroffen war.“

    Die GFO-Kliniken wollen nun ihre Kapazitäten für die Übernahme der Patienten der Geburtshilfe und Neonatologie aus Sankt Augustin ausweiten. „Es ist jedoch fraglich, ob wir das für die Kapazitätsausweitung nötige Personal erhalten werden.“ Am Ende verbleibt damit die zunehmend schwieriger zu beantwortende Frage, wie die Krankenhausversorgung in ländlichen Gebieten zukünftig noch sichergestellt werden kann.